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Tote Hunde beißen nicht: Bröhmann ermittelt wieder (German Edition)

Tote Hunde beißen nicht: Bröhmann ermittelt wieder (German Edition)

Titel: Tote Hunde beißen nicht: Bröhmann ermittelt wieder (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietrich Faber
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wieder unbeschadet zu Hause sein wird.
    Dann spüre ich die riesige, gut durchblutete Pranke meiner Schwester auf meiner knöchrigen Schulter. Ulrike hält die Augen geschlossen und drückt ihren Zeigefinger auf die Lippen. Sie gibt mir mit Kopfbewegungen und aufgerissenen Augen zu verstehen, ich solle den Raum verlassen. Ich blicke sie fragend an.
    «Ich muss nachstimulieren», flüstert sie mir bedeutungsschwer zu.
    Aha, denke ich und verlasse das Zimmer.
    Durch den Türspalt beobachte ich, wie Ulrike die gesteckten Nadeln nachjustiert und meine Mutter bei jeder einzelnen leise wimmert.
     
    Ulrike ist kinderlos und nach meinem aktuellen Kenntnisstand alleinstehend. Sie verließ kurz nach Beendigung ihrer Schulzeit die Vogelsberger Heimat und kehrte seitdem auch nur noch zu Kurzbesuchen an Weihnachten zurück. Zunächst studierte sie Sinologie in Heidelberg, brach dies allerdings nach zwei Semestern ab, wechselte daraufhin zum Studium der Islamwissenschaften nach Kiel und machte dort im zweiten Anlauf ihren Abschluss. Danach heiratete sie einen deutlich älteren erfolgreichen ägyptischen Urologen, zog mit ihm nach London und hielt ihm bei seiner akademischen Karriere den Rücken frei. Als er allerdings mit einer amerikanischen Kollegin von Weltrang auf einem Kongress in Zürich eine Affäre begann, verließ sie ihn umgehend, ließ sich scheiden und üppig ausbezahlen. Finanziell weitgehend abgesichert, zog sie nach Dresden und machte dort aus Langeweile eine Heilpraktikerausbildung. Seitdem heilt sie oder redet auf ihre Patienten so lange ein, bis diese sich geheilt fühlen.
     
    Während meine Mutter noch eine Weile der Akupunkturstimulanz meiner Schwester nachwimmert, verlässt Ulrike das Schlafzimmer, packt mich bestimmend am Arm und zieht mich die Treppe hinunter bis ins elterliche Rustikalwohnzimmer.
    «Nimm Platz», befiehlt sie.
    Langsam lasse ich mich auf einen der Sessel fallen, da schiebt sie einen zweiten dazu, nimmt breitbeinig gegenüber Platz und greift nach meinen Händen. Dafür, dass wir seit Jahren so wenig Kontakt haben, ist mir das langsam ein bisschen zu viel Körperkontakt.
    Großschwesterlich, nahezu mütterlich lächelt sie mich an.
    «Henny-Boy, ich muss mal ernsthaft mit dir reden.»
    Henny-Boy
ist das Schlimmste, was sie mir je angetan hat. So nannte sie mich vor allem dann immer, wenn ich als Vierzehnjähriger picklig-coole Jungsfreunde zu Gast hatte. Es dauerte nicht lange, da rief mich die ganze Schule mitsamt dem Lehrerkollegium «Henny-Boy».
    «Was ist denn los?», sage ich etwas schroff und entziehe meine Hände dem festen Schwestergriff.
    «Ich mache mir Sorgen um Mutter», jomert sie nun im Heilerinnensingsang. «Hast du nicht in letzter Zeit bemerkt, dass sie, na, sagen wir mal, etwas verwirrt ist?»
    «Nicht mehr oder weniger als sonst auch, wie kommst du darauf?»
    Nun schaut Ulrike noch dramatischer. Ich dachte bis zu diesem Moment, das Maximum an opernhaften Gesichtsausdrücken und Tonfällen wäre bereits erreicht.
    «Nein, Henny-Boy, ich meine …»
    «Nenn mich bitte Henning!»
    Wieder fasst sie nach meinen wehrlosen Händen.
    «Natürlich, entschuldige bitte, ich meine das anders. Ich ahne bei ihr leider eine einsetzende Demenz.»
    Innerlich koche ich. Meine feine Schwester gibt dem Elternhaus nach Monaten mal wieder die Ehre, sieht ihre unter Schock stehende Mutter ein paar dürre Minütchen, spickt sie sofort mit unzähligen Nadeln und glaubt nebenher so einfach eine Demenz-Diagnose stellen zu können.
    «Ich spüre an deinem Gesichtsausdruck, du willst das nicht hören …», sagt sie und untermalt diese Feststellung mit dauerhaftem Nicken und einem: «Ne?»
    «Da spürst du richtig», keife ich zurück. Derweil spüre ich für mein Teil, wie zwei ihrer Finger sich in die Innenseite meines Handgelenks bohren.
    «Was machst du da?», frage ich sie so erschöpft wie verwundert.
    «Deinen chinesischen Puls fühlen … Energie und so …»
    Energie und so. Das bringt Ulrikes medizinische Kompetenz und Seriosität wunderbar auf den Punkt.
    Ulli schließt die Augen, ich beobachte ihr Tun hilflos und bin zu lethargisch, um in irgendeiner Form zu reagieren.
    «Oh, dein Puls scheint mir aber sehr, sehr, sehr, sehr, sehr dünn zu sein.»
    Aha. Langsam reicht es mir, und ich entziehe meine unschuldigen Hände ein weiteres Mal der schwesterlichen Umklammerung.
    Ulrike lächelt wie in der Kosmetikwerbung und gibt mir großherzig zu verstehen, dass es in Ordnung sei, wenn ich

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