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Tote Hunde beißen nicht: Bröhmann ermittelt wieder (German Edition)

Tote Hunde beißen nicht: Bröhmann ermittelt wieder (German Edition)

Titel: Tote Hunde beißen nicht: Bröhmann ermittelt wieder (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietrich Faber
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Nachmittagsfamilienanschreitalkshow direkt vom Bildschirm in unser Büro gepurzelt. Ich blicke zu Teichner. Was ist denn nun mit dieser Sabse?, fragen meine Augen.
    «Ist doch okidoki, wenn Sabse ein bisschen hierbleiben kann?», fragt Teichner dann. «Oder?»
    Aus dem Nebenraum tönt es «Äääähhhh». Ich drehe mich zur Seite, blicke durch die Tür, und da steht ein quietschrosa Kinderwagen, umrahmt von zwei weiteren Kleinkindern, die in ihren Händen jeweils ein viel zu großes Eis halten.
    «Keine Angst, die tun schon ruhisch sein», sabst die Sabse.
    Teichner greift nach ihrem Oberarm, als sei Sabse ein im Fachhandel erworbener Besitz, und erklärt mit stolzgeschwelltem Timbre in der Stimme:
    «Die wollten halt mal guggn, was ich hier den ganzen Tag so verbresche.»
    Ich nicke erschöpft und sehe, wie ein an Sabses Bauch montiertes Nabelpiercing im Begriff ist, bei der nächsten Bauchatmungsbewegung durch ihr Polyestershirt hindurchzubrechen.
    Als nun alle drei Kinder zu quengeln beginnen, sabst die Sabse nach nebenan, um für Ruhe zu sorgen. Teichner indessen bleibt bei mir stehen, starrt mich so lange an, bis ich endlich seinen Blick erwidere, und sagt stolzgeschwellt: «Die Kleine ist meine Neue.» Dazu nickt er wie ein Jäger, der frisches Wild erlegt hat.
    Man könnte aus der Formulierung
meine Neue
den trügerischen Eindruck gewinnen, Teichner würde seine Frauenbekanntschaften wöchentlich wechseln. Doch nicht nur ich ahne: Es ist nicht seine Neue, es ist die Erste.
    Ein bisschen gönne ich ihm das natürlich, trotz allem.
    «Prima, freut mich, Teichner», sage ich somit. «Wo habt ihr euch denn kennengelernt?»
    «Internet!», antwortet Amor. «Anders kommste an die Weibsen heutzutage doch net mehr ran.»
    Ich nicke neutral, gebe ihm dann höflich, aber bestimmt zu verstehen, dass ich etwas unter Druck stünde und nun weiterarbeiten müsse.
    «Nee, klaro», murmelt Teichner, «scheiße mit deinem Alten, ne? Tut mir echt sorry.»
    «Ist schon o.k. …»
    Ich blicke zu Sabse, die gebückt am Kinderwagen herumnestelt und der Polizeidirektion Alsfeld ihren feudalen Hintern präsentiert. Halb in der Hose, halb außen.
    «Die Kinder sind aber nicht von dir, oder?», scherze ich abschließend zu Teichner.
    «Nee, nee», antwortet er ernst. «Die sind von meinen Vorgängern.»
     
    Bis zum Abend ackere ich mir die Angst um meinen Vater von der Seele und arbeite Massen an Ermittlungsakten und Verhörprotokollen durch. Auf der verzweifelten Suche nach irgendeinem kleinen Hinweis.
    Alle Akten sind akribisch geführt; korrekt, pedantisch, detailverliebt, ohne Lücken, ohne Formfehler. Ich beginne 1980 , also mit dem Jahr, in dem Viktor Gummer zum Alsfelder Team stieß. Mein Vater hatte damals meine jetzige Position inne, Gummer die von Teichner. Beide stiegen in den darauffolgenden Jahren zweimal parallel auf. 1986 wurde mein Vater Kriminaloberrat, Gummer Hauptkommissar. 1991 wurde Günther Bröhmann Präsident, und Gummer wechselte zu einer höher dotierten Stelle nach Berlin.
    Wer nur kann es auf die beiden abgesehen haben?
    Jeden popeligen Ladendiebstahl, jede alberne Sachbeschädigung, jeden noch so nichtigen Betrug, jede winzige Nötigung finde ich der formellen und umständlichen Art meines Vaters gemäß aufgeführt. Der kriminalistische Alltag im Vogelsberg war vor dreißig Jahren anscheinend genauso wenig aufregend wie heute. Nur arbeitet einer der heutigen Kriminalkommissare bei weitem nicht mehr so akribisch.
    Ich suche vergeblich nach einer Systematik, mit der ich am schnellsten auf irgendetwas Weiterführendes stoßen könnte. Ein mehr als zähes Unterfangen, das alles durchzusehen. Wie besessen blättere und suche ich weiter, bis ich die uferlose Sinnlosigkeit meines hektischen Treibens erkenne und mir darauf aus Erschöpfung die Tränen kommen.
    Nur jetzt nicht schwächeln, Bröhmann, feuere ich mich an, mach weiter, sei keine Memme. Nur jetzt sich nicht bitte auch noch nach Franziska sehnen. Nicht das auch noch, das fehlte gerade noch. Ich gehe zum Fenster, blicke in den Alsfelder Himmel, trotze dem strikten Rauchverbot und rauche meine Gefühle weg. Es funktioniert. Danach kehre ich an den Schreibtisch zurück und sehe mich wieder in der Lage, rational weiterzuarbeiten.
    Vielleicht sollten wir auch einmal im Umfeld der ehemaligen Kollegen forsten?
    Es gibt bestimmt einige, die unter Gummer und Bröhmann senior im Präsidium ganz schön zu leiden hatten.
    Ich putze mir die Nase und beschließe,

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