Tote Kehren Nicht Zurück
Fahrzeugen gestört worden. Kaum das rege Kommen und Gehen, von dem sie gesprochen hatte.
»Wenn Sie vielleicht lesen würden, was ich hier aufgeschrieben habe, Mrs Joss …« Erschöpft legte er ihr das Notizbuch mit den spärlichen Informationen hin, die er während des Gesprächs notiert hatte.
»Sagen Sie mir bitte, ob Sie einverstanden sind mit dem, was ich aufgeschrieben habe, und unterschreiben Sie unten, falls Sie einverstanden sind.« Sie bedachte ihn mit einem eigenartigen, fast scheuen Blick.
»Ich hab es nicht so mit Lesen und Schreiben, mein Lieber. Ich bin nie in der Schule gewesen.«
»Was denn, niemals?«, fragte Prescott unhöflich, doch die Überraschung war zu groß.
»Nicht einmal als kleines Mädchen?«
»Nein, mein Lieber. Wir waren immer unterwegs, auf der Straße. Meine Eltern waren fahrendes Volk.«
»Mrs Joss«, fragte Prescott vorsichtig,
»dürfte ich erfahren, wie alt Sie sind?«
»Dreiundachtzig«, antwortete sie.
»Glauben Sie nicht, ich wüsste nicht, wie alt ich bin, junger Mann! Ich hab elf Kinder, die noch am Leben sind. Zwei sind schon tot. Ich hab einundzwanzig Enkelkinder und drei Großenkel. Das ist nicht schlecht, oder? Für jemanden, der nie zur Schule gegangen ist?« Sie stieß ein heiseres Lachen aus. Unwillkürlich stimmte Prescott in ihr Lachen ein.
»Also schön, Madam, ich danke Ihnen für Ihre Zeit. Noch etwas, Sie werden nicht mit den Leuten auf der Straße über die Sache schwatzen, oder?« Er musste sie warnen, doch im Grunde genommen spielte es kaum eine Rolle – Mrs Joss war als Zeugin völlig wertlos, und sein Besuch bei ihr hatte nicht das Geringste zu Tage gefördert. Wie es der Zufall wollte, sollte er sich in dieser Hinsicht irren, doch das konnte er zu diesem Zeitpunkt noch nicht wissen. Er steckte seinen Notizblock wieder ein und stand im Begriff zu gehen, als die Hintertür laut ins Schloss fiel und eine Stimme nach Mrs Joss rief.
»Oma?« Die Tür zum Wohnzimmer wurde geöffnet, und ein hagerer junger Mann von vielleicht zwanzig Jahren steckte den Kopf herein. Obwohl er eher schwächlich gebaut war, besaß er ein nassforsches Auftreten. Er trug Jeans und eine schwarze Bomberjacke mit silbernen Streifen auf den Ärmeln. Sein dunkles Haar glänzte von Gel und bildete einen Wald von Borsten, die abstanden wie die Stacheln eines Igels. Beim Anblick von Sergeant Prescott stutzte er für einen Sekundenbruchteil, und Prescott meinte bereits, er würde sich umdrehen und die Flucht ergreifen. Dann jedoch riss er sich zusammen und betrat misstrauisch das Zimmer.
»Hallo Oma«, sagte er und beugte sich zu ihr hinab, um ihr einen Kuss auf die ledrige Wange zu geben, ohne jedoch Prescott aus den Augen zu lassen.
»Hast einen neuen Hausfreund, wie?« Sie gackerte vor Vergnügen.
»Das ist mein Enkel Lemuel«, sagte sie stolz zu Prescott.
»Er ist der mittlere Sohn von meinem Dan.«
»Lee!« Der junge Mann errötete heftig, was seine aknegeplagte Haut noch unvorteilhafter aussehen ließ. Er wandte sich zu Prescott um.
»Ich heiße Lee, nicht Lem. Oma hat etwas Falsches gesagt!«
»Was ist denn so verkehrt an Lemuel?«, schnappte die Oma.
»Es war der Name deines Großvaters!«
»Nichts, Oma, schon gut.« Er lehnte sich mit übertrieben großspuriger Geste gegen den Tisch, um seine Verlegenheit zu überspielen, und verschränkte die Arme vor der Brust. Er trug eine kostspielige Armbanduhr. Prescott war sich der Tatsache bewusst, dass der Neuankömmling nicht nur wegen einer Meinungsverschiedenheit bezüglich Lee oder Lemuel so nervös reagierte. Der Grund für Lees Unruhe bestand vielmehr darin, dass er in Omas Besucher sofort einen Kriminalbeamten in Zivil erkannt hatte. Und was, sinnierte Prescott, was hast du angestellt, dass du dir beim ersten Anblick des Gesetzes vor Schiss fast in die Hosen machst? Und wo wir schon dabei sind, ich frage mich, wovon du diese Uhr bezahlt hast – falls du sie überhaupt bezahlt hast?
»Sie sind also Lee Joss?« Prescott war jung genug, um mit dem Besucher mitzufühlen wegen des Vornamens, mit dem gedankenlose Eltern ihn gestraft hatten. Lemuel, soll man das für möglich halten? Zigeunerfamilien hatten, wie Prescott wusste, eine Vorliebe für alte Namen. Aber Lemuel …? Lees Großmutter antwortete für ihn.
»Ich sagte Ihnen bereits, er ist Dans Junge. Sie wohnen gleich um die Ecke, im übernächsten Haus, neben Irene Flack.« Prescott spürte, wie sein Interesse erwachte.
»Sie wohnen
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