Tote liegen nicht am Strand: Roman (German Edition)
um sich von Muskel-Kiki quälen zu lassen. Zehn Hintern und Bauchmuskeln, ausgestreckt auf einer Tatami-Matte: Die Bauchmuskeln sah man kaum, die Hintern dafür sehr deutlich. Viviane zog ihre Safari-Jacke aus und gesellte sich zu der jammernden Gruppe.
» Wir legen uns auf die Seite, machen mit den Beinen die Schere, langsam, zehn Mal, ja, sehr gut, Viviane…«
Alle Blicke richteten sich auf die Kommissarin, die sich als gute Schülerin hervortat, alle würden sie darum beneiden.
» Dann auf die andere Seite. Höher, die Schenkel weiter auseinander, Nathalie. Es muss ein bisschen weh tun. Jetzt legen wir uns auf den Rücken und entspannen uns, lasst euch gehen.«
Sich gehen zu lassen lag der Kommissarin nicht. Sie grübelte. Es war, als würde die körperliche Anstrengung das Grübeln begleiten, es stimulieren. Was sollte sie von der Aussage des Türken halten? Man müsste die Befragung noch einmal vertiefen. Sie würde Königin um einen richtigen Dolmetscher bitten. Mit Sicherheit gab es so jemanden auf der Insel.
» Jetzt legen wir die Hände in den Nacken, heeeben die Beine und lassen sie laaangsam absinken.«
Wie wichtig war der kleine Pfad, der entlang der Mauer führte? Die beiden Liegestühle auf dem Belvedere beschäftigten sie auch. Sie musste sich das ansehen. Aber der schmale Weg verhieß nichts Gutes für sie.
» Nicht vergessen, was ihr für euren Bauch tut, tut ihr für euren Rücken. Wir machen kleine Kreise mit gestreckten Beinen, so. Nein, Lola, nicht beugen, schau mal zu Viviane.«
Gegenwind-Koko, den müsste man befragen. Vielleicht hatte er einen guten Grund, als Henker verkleidet ins Amphitheater zu kommen.
» Wir setzen die Beine ab, entspannen uns und atmen langsam.«
Sie bedauerte, King nicht kennengelernt zu haben, er interessierte sie. Wer war er wirklich gewesen? Die ersten Aussagen zeichneten ein widersprüchliches Bild, sie hätte gerne noch andere gehört. Woher kam diese plötzliche Besessenheit, bei seiner Frau einen Liebhaber zu vermuten? Hatte Königin denn wirklich einen? Viviane stellte sie sich nackt in den Armen eines der Kokos vor, die sie getroffen hatte, aber nein, keiner passte. Ganz kurz sah sie sich anstelle von Königin, mit denselben Kokos. Nein, auch da war keiner der Richtige. Plötzlich drängte sich das Bild von Willy auf. Willy, wie er tropfend aus dem Pool stieg. Absurd.
» Und jetzt auf den Bauch, wir legen die Hände wieder in den Nacken und heben den Oberkörper.«
Nein, gar nicht mal so absurd, Königin hätte sich zwischen den Chéris einen Liebhaber suchen können, einen wie Willy, einen Toyboy für den Sommer. Diskreter, kurzlebiger als ein Koko. Ein Wegwerfliebhaber. Einer oder mehrere. Man muss sich hier nur bedienen, guten Tag, danke, auf Wiedersehen. So hätte sie das jedenfalls gemacht. Aber die arme Königin wirkte so verkrampft! Da war es wieder, Willys Bild, flüchtig, wie ein schlüpfriges Foto, das unter den Bänken einer Oberschule von Hand zu Hand geht. Warum hatte King die Kokos und Kikis derart beharrlich ausgefragt? Wer hatte ihn aufgescheucht? Ein anonymer Brief? Eine Unachtsamkeit seiner Frau?
» Zum Schluss setzt ihr euch auf eure Sitzbeinhöcker, die Beine angezogen, die Fersen weg vom Boden, und wir kreisen mit den Knien. Nutzt eure Arme, um das Gleichgewicht zu halten.«
Und Clown-Koko? Er wäre ein guter Verdächtiger, hätte er nicht eine so glatte Aussage gemacht, ohne die geringste Ungereimtheit. Überprüfen?
» Das war’s für heute. Bravo, meine Chéries!«
Und dieser letzte Nachmittag im Amphitheater, so lächerlich theatralisch, war das wirklich nur eine Laune von King gewesen?
» Für alle, die es interessiert: Ich biete sehr gute pflanzliche Kosmetik an, hundert Prozent bio. Ich habe die Sachen für euch zum Großhändlerpreis bekommen. Heute habe ich eine Straffungscreme dabei, ein Schlankheitsgel und eines, das das Gewebe eurer kleinen Hintern festigt…«
Viviane ignorierte das Köfferchen, das Muskel-Kiki vor den Chéries darbot, und ging duschen. Sie würde nach dem Frühstück mit Lieutenant Cruyff über alles sprechen. Bis dahin würde sie Apollinaire lesen.
Sie befand sich gerade mitten auf dem Pont Mirabeau, als sich ihr eine junge Heyduda näherte.
Klein, blond, gelockt, mit einer großen Brille, stand sie eingeschüchtert da. » Kann ich Sie sprechen? Es ist ein wenig heikel.«
Es war sogar sehr heikel. Die Heyduda war Praktikantin. Sie kam von einer Wirtschaftsschule und kümmerte sich um die
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