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Tote lügen nicht: 1. Fall mit Tempe Brennan

Tote lügen nicht: 1. Fall mit Tempe Brennan

Titel: Tote lügen nicht: 1. Fall mit Tempe Brennan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathy Reichs
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er aus der Unterwäsche kleine Dummies macht.«
    Oder Puppen, fiel mir plötzlich ein.
    See me, feel me, touch me…
    J. S. sagte etwas, aber meine Gedanken entfernten sich mit Lichtgeschwindigkeit von unserem Gespräch. Puppen. Unterwäsche. Messer. Eine Nutte namens Julie, die dafür bezahlt wird, daß sie sich ein Nachthemd anzieht. Die Zeichnung einer aufgeschlitzten Frau mit den Worten »Wage es nicht, mich zu schneiden«. Zeitungsartikel in einem Zimmer in der Rue Berger. Darunter einer, der von einem Einbrecher handelt, der aus Unterwäsche Puppen formt. Ein anderer mit meinem Bild, auf das ein X gemalt ist. Ein abgeschnittener Kopf, der mich zwischen der Petersilie angrinst. Gabbys angstverzerrtes Gesicht um vier Uhr in der Früh. Das Chaos in meinem Gästezimmer.
    Help me make the music of the night…
    »Ich muß jetzt Schluß machen, J. S.«
    »Aber erst mußt du mir versprechen, daß du das tust, was ich dir gesagt habe. Es klingt zwar ziemlich weit hergeholt, aber möglicherweise ist der Kerl, der Gabby belästigt hat, auch der Mieter der Wohnung in der Rue Berger. Vielleicht ist er sogar euer Mörder. Und wenn er das ist, dann bist du in Gefahr. Du stehst ihm im Weg, bist eine Gefahr für ihn. Er hat bereits dein Bild. Er war es vielleicht auch, der dir den Schädel von Grace Damas in den Garten gestellt hat. Er weiß, wer du bist. Und er weiß, wo du bist.«
    Ich hörte J. S. nicht mehr richtig zu, denn in Gedanken war ich bereits ganz woanders.
    Es dauerte dreißig Minuten, um quer durch die Innenstadt zur Main zu fahren und dort an der gewohnten Stelle zu parken. Auf dem Trottoir wäre ich fast über die ausgestreckten Beine eines Säufers gestolpert, der mit dem Rücken an der Wand einer Bar saß und seinen Kopf im Takt der gedämpften Country & Western-Musik nickte, die durch ein Fenster auf die Straße drang. Er grinste mich an, winkte mich mit dem Zeigefinger herbei und streckte mir seine Handfläche hin.
    Ich suchte in meinen Taschen Kleingeld und gab ihm einen Vierteldollar. Vielleicht paßte er dafür ja auf meinen Wagen auf.
    Auf der Main tummelte sich ein gemischtes Völkchen, durch das ich mir vorsichtig meinen Weg bahnte. Bettler, Nutten und Junkies mischten sich mit Nachtschwärmern und Touristen. Kleine Gruppen angetrunkener Geschäftsleute zogen von einer Bar in die nächste. Für sie war eine Nacht in der Main ein Abenteuer, für die, die sich hier ihr Geld verdienen mußten, war sie freudlose Realität. Welcome to the Hotel St. Laurent.
    Anders als bei meinem letzten Besuch hatte ich jetzt einen Plan. Langsam arbeitete ich mich die Rue Ste. Catherine entlang und suchte nach Jewel Tambeaux. Sie zu finden war alles andere als einfach. Zwar standen die üblichen Nutten vor dem Hotel Granada, aber Jewel war nicht unter ihnen.
    Als ich die Frauen sah, mußte ich an meinen Traum denken. Keine von ihnen machte allerdings Anstalten, einen Stein aufzuheben. Ich nahm das als gutes Zeichen. Aber was sollte ich jetzt tun?
    Ich habe eine Regel, mit der ich bisher eigentlich immer recht gut gefahren bin. Wenn du nicht weißt, was du tun willst, dann tu nichts. Wenn du dir nicht sicher bist, dann kaufe nichts, gib zu nichts einen Kommentar ab und verpflichte dich zu nichts. Bleib, wo du bist. Immer, wenn ich von dieser Regel abgewichen war, hatte ich es irgendwann bereut. Den Kauf des roten Kleids mit dem Rüschenkragen. Das Versprechen, über die Schöpfungslehre zu debattieren. Den bösen Brief, den ich dem stellvertretenden Rektor der Universität geschrieben habe. Diesmal war ich entschlossen, mich an meine Maxime zu halten.
    Ich suchte mir einen Betonblock, entfernte die Glasscherben, die darauf lagen, und setzte mich. Ich zog die Knie an die Brust und betrachtete das Granada. Ich wartete. Und wartete. Und wartete.
    Eine Zeitlang faszinierte mich die Seifenopfer, die sich rings um mich abspielte. Mitternacht ging vorbei, es wurde ein Uhr früh, dann zwei Uhr, und das Drama von Verführung und Ausbeutung rings um mich entfaltete sich. Erlaubte Liebe. Die Main frißt ihre Kinder. Jung und hoffnungslos. Während ich so dahockte, dachte ich mir die absurdesten Titel für Vorabendserien aus.
    Gegen drei Uhr früh machte mir auch das keinen Spaß mehr. Ich war müde, entmutigt und gelangweilt. Von Polizisten wußte ich, daß das Überwachen von Menschen und Gebäuden nicht gerade zu den aufregendsten Tätigkeiten gehört, die es gibt, aber daß es so nervtötend langweilig war, hatte ich mir nicht

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