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Tote Männer Milch (German Edition)

Tote Männer Milch (German Edition)

Titel: Tote Männer Milch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Malina
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möge. Isolde lehnte ebenso verbindlich ab. Sie arbeite zügig und umsichtig. Achtete darauf, dass sie mit den Kartons nicht an Wänden und Türen aneckte, und nicht allzu viel Zeit damit verschwendete, in den Bücherkartons herumzuschnüffeln.
    „So, gleich haben wir’s geschafft. Nur noch zwei Fuhren!“,
    wurde Isolde nach einer schweißtreibenden halben Stunde aus der Zentrale auf dem Laufenden gehalten. Sie folgte dem Lockruf der Managerin, blies sich motiviert eine Haarsträhne aus dem Gesicht und griff beherzt zum vorletzten Karton. Vor dem ersten Treppenabsatz drehte sie sich noch einmal um, weil plötzlich die Neunte Sinfonie ertönte.
    „Mein Handy!“, informierte Frau Maibach und stürmte davon, als wäre beim nächsten Klingelzeichen eine Höllenstrafe fällig. Sie verschwand in einem der unteren Zimmer. Kopfschüttelnd stieg Isolde die Treppe hinauf. Ihr Gang hatte sich deutlich verlangsamt. Sie bewegte sich nur noch schleppend vorwärts und musste mehrmals den Karton absetzen. Selber schuld, dachte sie. Sie spürte ihren verspannten Rücken, ihre geschwollenen Füße und die Lust, den Karton einfach stehen zu lassen. Nun los , gleich hast du’s geschafft ! Mit letzter Kraft wuchtete sie den Karton auf den Tisch und löste die Verkerbung des Deckels.
    „Ringelnatz!“, stieß Isolde entrückt hervor. Ihre Augen erstrahlten, als sie ein handsigniertes Gedichtbändchen ihres Lieblingsautors in den Händen hielt. „Und auf einmal steht es neben dir ... das Leben...“, zitierte sie bewegt vor sich hin, während sie gerührt mit der Hand über den Ledereinband des Büchleins streichelte. Ein adäquater Lohn für deine Schinderei, dachte Isolde. Sie hob ihr Kleid und ließ den Dichter in ihrer Unterhose verschwinden. Leise ging sie die Treppe hinab. Abgerissene Sätze drangen an ihr Ohr:
    „Hast du den Krassnitzer tatsächlich verkauft ... 6.500 Euro, ja prima ... am Samstag findet die Vernissage für den Slowenen ... der Pyzinky verkauft sich nicht...“
    Isolde zwang sich, ihre Aufmerksamkeit auf den noch verbliebenen Karton zu richten, der letzte, dachte sie und blickte mutlos auf diese unhandliche Pappkiste. Er besaß keine ausgestanzten Haltegriffe und wich deutlich vom Normmaß ab. Nur mit viel Mühe gelang es ihr, sich der widerspenstigen Last anzunehmen. Ächzend, den Karton mehr provisorisch als griffsicher umklammert, tastete sie sich Stufe für Stufe die Treppe empor. Die Last raubte ihr nicht nur den Atem, sondern auch die Sicht.
    „Kann ich Ihnen helfen?“
    Isolde hielt inne. Sie war sich nicht sicher, ob sie die Stimme wirklich gehört hatte oder ob das nur eine logische Konsequenz ihrer Plagerei war. Zweifelnd drehte sie sich um und fing den Blick auf, der ihr wie ein überraschendes Präsent zugeworfen wurde. Sie sah in zwei aufgeweckte Augen, die sie mit fast kindlicher Rührseligkeit musterten. In ein gutmütiges Gesicht, das sie anlächelte.
    „Wer sind Sie?“, wollte der Mann wissen und streckte ihr beide Hände entgegen, als wolle er ihr sein Lächeln auch noch schenken. Isolde suchte nach Worten, die sich dem Augenblick anschmiegten. Nichts Sinnvolles, aber auch nichts Sinnloses. Etwas, was es nicht überall zu hören gibt. Aber ihr fiel nichts ein. Die schöngeistige Flaniermeile ihrer Gedankenwelt war geschlossen. Nur eine schäbige Spelunke hatte geöffnet. Ein Sex-Kino. Das schonungslos seine Vorhänge aufriss. Hereinspaziert – hereinspaziert! Nicht jetzt, dachte sie. Nicht jetzt, es passt einfach nicht. Ich will diese Schweinerei jetzt nicht sehen. Reflexartig griff sie sich mit der Hand an die Schläfe. Der Karton löste sich aus ihrer Umklammerung und landete polternd auf ihren Fuß.
    „Vorsicht! Um Himmelswillen! Haben Sie sich wehgetan?“
    „Auauau, nein“, stammelte Isolde nicht ganz frei von Selbstwiderspruch und krallte sich in den schützenden Arm, der sie auffing und sanft zu Boden drückte.
    „Das Ding ist einfach zu schwer“, entschuldigte sie sich, vergeblich bemüht, ihrer Stimme etwas Zwangloses zu verleihen. Sie blickte zu Boden, fixierte angestrengt die Wirbel und Bögen in der Maserung der hellen Fliesen, und den Mann, der ihr zu Füßen lag und behutsam ihren Fuß abtastete. Sie fragte sich, ob sie wirklich auf dem Boden der Tatsachen saß. Plötzlich überkam sie das ungute Gefühl, dass sich Herr Doktor Maibach der verfänglichen Lage bewusst werden könnte. Pflichteifrig nannte sie ihren Namen, ihren Wohnort und den Grund ihrer

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