Tote Männer Milch (German Edition)
Anwesenheit.
„Jaja“, kommentierte er gewichtig. „Meine Frau versteht sich blendend darauf, sich der Hilfe anderer zu befleißigen.“
Auch wenn er eine warme Stimme besaß, in der sich Sanftheit und Autorität auf angenehmste Weise vereinigten, hörte Isolde den bissigen Unterton heraus. Isolde schwieg. Was sollte sie auch sagen. Sie war ja bereits auf dem neuesten Stand. Obwohl sie gern etwas gesagt hätte, weil etwas gesagt werden musste, um das entstandene Schweigen aufzulösen, das dazu zwang, das Telefongespräch der Maibach mit anzuhören.
„Ach ja ... der Umzug, mein Gott ... du machst dir kein Bild ... ich muss alles allein machen...als hätte ich nicht schon genug mit den Vernissagen zu tun ... aber du kennst ja meinen Göttergatten, der macht sich ungern die Hände schmutzig ... ich sollte mir meinen slowenischen Schmierfink zu Hilfe nehmen, hat er mir vorgeschlagen ... was ich gesagt habe … gute Idee habe ich gesagt ... der kann wenigstens mit seinem Pinsel umgehen ... dann ... na dann ist alles eskaliert ... das kannst du dir wohl selbst denken ... der hat mich rausgeschmissen ... vor die Tür gesetzt ... wie einen Hund ... der Mistkerl...“
Wie ein Störsender, versuchte Isolde, durch Räuspern und Hüsteln auf das Gespräch einzuwirken, es irgendwie zu unterbinden, obwohl ihr nicht entging, wie Herr Maibach mit angespannter Miene und mahlendem Unterkiefer den Worten seiner Frau lauschte, während er gewissenhaft ihren Fuß untersuchte.
„Ihre Frau telefoniert...“, legte sich Isolde ins Zeug.
Herr Maibach nickte bestätigend.
„Ich musste heute Morgen meine Nachbarin aus dem Bett klingeln...“, fuhr seine Gattin im gedämpften Tonfall fort.
Isolde stutzte. Spitzte nun doch ihre Ohren.
„Frau Bröööse...“, Frau Maibach wurde von einem Kicheranfall überwältigt.
Isolde hielt die Luft an.
„Die müsstest du mal sehn ... sieht aus wie ihr Name klingt. Passt wie die Faust aufs Auge oder besser...“, die Maibach prustete und rang nach Luft. „...wie die Gräte zum Hals ... einfach zum Würgen...“
„Also das ist nur eine leichte Schwellung, nichts gebrochen“, durchbrach Doktor Maibach das Schweigen.
Isolde reagierte nicht. Saß einfach da. Steif wie ein Stahlträger. Die Augen, düster und stählern wie der Zwillingslauf einer Schrotflinte.
„Sie müssen kalte Umschläge machen, ja das müssen Sie, am besten mit Kamille“, seine Stimme überschlug sich, „ich, ich habe noch eine Salbe für Sie, ja, eine Salbe, die ist wirklich prima, aber wie gesagt, die Umschläge...“
Er redete auf sie ein, als wäre sie ein Kind, das die Zusammenhänge des Lebens noch nicht begriff.
Vergeblich. Isolde begriff sehr wohl. Auch wenn die Worte nur noch bruchstückhaft an ihre Ohren drangen.
„...ältliche Jungfer – langer Zopf – knochiges Elend – zäh – Holzpuppe – Leiter hoch geklappert – Bücherkartons – Preisausschreiben – Heizdecke – Dampfbügeleisen...“
„Doris!!!“, brüllte Maibach dazwischen. Seine Stimme donnerte, die Türe zitterte.
„Wart mal, ich glaub ... da ist ... ich muss auflegen.“
Zaghaft wurde die Tür geöffnet und die Maibach trat mit einem kunstvoll arrangierten Lächeln in Erscheinung.
„Ach, du bist schon da, na so was ... ich habe gar nichts gehört.“
„Dafür warst du umso besser zu hören“, schnalzte Maibach und warf seiner Frau einen vernichtenden Blick zu.
Sie lachte, eine Sekunde lang. Dann hörte sie wie ertappt auf.
„Es geht schon“, wehrte Isolde seine Hand ab und rappelte sich selbst von der Stufe auf. „Ich geh dann mal und vielen Dank für alles.“
„Nein, ich habe zu danken, es waren meine Bücher, mit denen Sie sich da abgemüht haben, warten Sie...“
Maibach kramte einen 50-Euro-Schein hervor.
„Nein bitte ... das ist nicht nötig“, sagte Isolde und humpelte aus dem Haus, als hätte eine unhörbare Stimme nach ihr gerufen.
Vor der Haustür blieb sie stehen. Sie schwankte leicht, ihre Beine zitterten. Ihr Atem ging stoßweiße. Ihr Gesicht war geisterhaft bleich. Sie lehnte sich gegen die Hausmauer und wartete bis sich ihr Oberkörper wieder im harmonischen Einklang hob und senkte.
„Sie hat eine Seele so schwarz wie Rabenflügel“, murmelte Isolde in sich versunken vor sich hin, während sie den kiesgeschotterten Weg entlangschlurfte, der zum Ausgang der Villa führte.
So eingesponnen in ihre trüben Gedanken war sie, dass sie das gelbe Postauto nicht wahrnahm, das vor dem Grundstück
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