Tote Pracht
Entscheidung, nicht meine oder ihre — ,
aber sein Tod und nun das neue Testament haben sie doch sehr bestürzt.«
»Warum hat er sich von seinen Söhnen so
distanziert?«
»So war er eben. Das war einer der
Gründe, warum ich mich scheiden ließ. Eigentlich der Hauptgrund.« Sie hielt
inne. »Ich habe Perry aber immer geliebt. Darum trifft mich seine Entscheidung,
die Jungs zu enterben, auch so schwer.«
»Hank Zahn hatte den Eindruck, daß es
Ihnen nicht um das Geld geht.«
»Um das Geld, nein. Es ist Perrys
mangelnde Fürsorge und die... Unerklärlichkeit seiner Handlungen, die mich
beunruhigen.«
»Bis jetzt ist es mir gelungen, zwei
von Perrys neuen Erben aufzuspüren — Thomas Y. Grant und Jess Goodhue. Hat er
je von diesen Personen gesprochen?«
Sie schüttelte den Kopf.
»Wie steht es mit David Arlen Taylor,
Libby Heikkinen oder Jenny Ruhl?«
»Keiner dieser Namen kommt mir bekannt
vor. Ich bin sicher, daß ich mich erinnern würde, wenn ich sie kennen würde
oder von ihnen gehört hätte.«
»Keine von den beiden Personen, mit
denen ich bisher gesprochen habe, behauptet, Perry gekannt zu haben, oder
versteht, warum er sie in seinem Testament bedacht hat. Vielleicht können
Taylor oder Heikkinen, wenn ich sie finde, etwas mehr Licht in die Sache
bringen. Die andere Person, die ich erwähnte, Jenny Ruhl, war die Mutter von
Jess Goodhue. Goodhue glaubte, daß ihre Mutter Perry von Berkeley her gekannt
haben könnte.«
»Das war lange, bevor ich ihn kennenlernte.«
»Wann und wo haben Sie ihn
kennengelernt?«
»An der Hochschule von San Francisco,
nachdem er aus Vietnam zurückgekommen war. Ich war erst neunzehn; er war einige
Jahre älter und übte eine große Faszination auf mich aus. Ein distanzierter,
schweigsamer Mann mit einer tragischen Vergangenheit; ein Mann, der schon eine
Frau und ein Kind verloren hatte. Ich dachte, ich könne ihm helfen, ihn aus der
Reserve locken. Wie naiv ich doch war!«
»Ich nehme an, er blieb distanziert.«
»Ja. Es wurde mir erst nach der Geburt
meines ersten Sohnes, Kurt, bewußt, wie distanziert er war. Ich weiß noch, wie
ich Kurt anschaute und mich fragte, wem er wohl mehr ähneln würde — Perry oder
mir. Damals wurde mir klar, daß ich praktisch nichts wußte von dem Mann, der
ihn gezeugt hatte.«
»Meinen Sie, von seinen Gedanken und
Gefühlen oder von seiner Vergangenheit?«
»Beides. Als wir uns kennenlernten, hat
er mir so eine Art Lebensgeschichte erzählt, aber das war wie ein Rahmen ohne
Inhalt.«
»Wo kam Perry ursprünglich her?«
»Aus Albuquerque.«
Ich dachte an den Vater mit der
Krawatte aus verknoteten Bändern, der Jess Goodhue besucht hatte. »Sprach er
manchmal von seiner Kindheit?«
»Mehr als über andere Abschnitte seines
Lebens. Es klang ziemlich normal. Ich habe seinen Vater nie kennengelernt; er
starb, als Perry in der High-School war. Seine Mutter hat wieder geheiratet und
ist dann viel gereist; ich bin ihr einmal begegnet. Sie war sehr lebhaft; von
ihr hatte er seine Verschlossenheit sicher nicht.«
»Sie haben sich vor zehn Jahren von
Perry scheiden lassen?«
»Nächsten Monat sind es zehn Jahre.
Gegen Ende wohnten wir in Pacifica. Wir hatten ein Haus gekauft. Perry pendelte
zur Arbeit. Er arbeitete lange — absichtlich, wie ich dachte. Nicht, daß er die
Jungs oder mich nicht liebte; er kam nur mit der Intimität des Familienlebens
nicht zurecht. Er erinnerte mich immer an den Nebel, der kam und ging, und
nicht an einen Ehemann und Vater. Ich hatte das Gefühl, ihn zu verraten, als
ich mich scheiden ließ, aber er schien eher erleichtert zu sein. Ich nehme an,
er war durch die Ehe und die Familie einfach gefühlsmäßig überfordert.«
Dieser unbeteiligte Mann, den Mrs.
Fleming da beschrieb, paßte so gar nicht zu dem jungen Mann, der die Menschen
während der stürmischen Zeiten in Berkeley durch seine Späße zum Lachen
gebracht hatte. Selbst der Mann, den Hank von Vietnam her kannte, schien zugänglicher
gewesen zu sein. Ich fragte mich, ob der Tod von Frau und Kind dort drüben ihn
so verändert hatte. Aber selbst als sie noch am Leben gewesen waren, schien
Hilderly in mancher Beziehung verschlossen gewesen zu sein.
»Haben Sie Perry nach der Scheidung noch
gesehen?«
»Gelegentlich. Er holte die Jungs an
ihrem Geburtstag ab und ging mit ihnen in die Stadt, in den Zoo oder zu einem
Ballspiel. Zu Weihnachten schickte er Geschenke — meist welche, die für ihr
Alter nicht paßten — und rief an. Aber das war
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