Toten-Welt (German Edition)
Flammenwerfern in Gefahr und sorgte schließlich auch noch dafür, dass sich die angetretene Truppe auflösen und ausweichen musste.
Endlich brachen die lebenden Fackeln zusammen, loderten am Boden weiter und schmorten stinkend vor sich hin, als die Truppe sich neu formiert hatte und nun endlich ausrückte. Drei weniger. Aber wenn es so leicht wäre, wie es nun schien, warum gab es dann keinen Kontakt innerhalb der Bundeswehr mehr? Warum waren sie das vielleicht letzte verbliebene Häufchen des Landes – von Europa und dem Rest der Welt gar nicht zu reden?
Polizeihauptkommissar Werner Mertel kannte das Haus. Zwei mal war er bereits hier gewesen. Beim ersten Mal, vor rund zwölf Jahren, hatte eine Zeugenaussage in einem Vermisstenfall hierher geführt. Der Hausbesitzer antwortete auf die Befragung souverän und freundlich, hatte ein Alibi und war nicht zu knacken. Aber Mertel wusste, er war sein Mann. Ein Durchsuchungsbefehl hätte ihm gereicht, aber den bekam er nicht.
Beim zweiten Mal rückte er in Begleitung zweier Frauen vom Jugendamt an. Inzwischen hatte der Mann seine Neffen in Pflege genommen, die Söhne seines bei einem Autounfall verstorbenen Bruders und dessen Frau. Das Jugendamt war von der Schule eingeschaltet worden. Die Jungs fehlten etwas zu oft. Und man hatte an den Unterarmen von allen beiden seltsame Narben und Wunden entdeckt, die auf Ritzungen deuteten.
Mertel war dabei, weil er sich eingemischt hatte. Er kannte eine der beiden Frauen vom Jugendamt und hatte sich mit ihr ausgetauscht. Der Mordfall war nicht vergessen. Und inzwischen gab es zwei weitere Fälle, die vage in die Richtung dieses Mannes deuteten: Hubert Helfert.
Wieder war er genau das: souverän und freundlich. Die Jungs zeigten auf seine Anweisung hin ihre Unterarme, gestanden die Ritzungen und versprachen, damit aufzuhören. Helfert war nicht nachzuweisen, dass er etwas davon gewusst oder aktiv dazu beigetragen hatte.
Es war seine letzte Bewährung. Nun, bevor das alles angefangen hatte mit dieser Weltuntergangssache, hatten sie ihn gehabt. Da war das selbstgedrehte Video, aber da waren auch Aussagen über Aussagen und Spuren über Spuren. Sie waren nur nicht mehr dazu gekommen, den Scheißkerl einzusacken.
Mertel gedachte das nun nachzuholen. Und wenn es das letzte war, was er als Polizist tat.
Er tat es nicht, um einen alten Fall zu lösen. Funktionierende Gefängnisse gab es nicht mehr. Und er hatte nicht vor, Selbstjustiz zu üben. Zudem war Helfert wohl kaum zu Hause. Vermutlich irrte auf der Suche nach Beute umher. Aber Mertel hatte wieder so ein Gefühl. Irgendwie hatte dieser Mistkerl mit der ganzen Sache zu tun. Er hatte mitgewirkt, sie auszulösen. Wenn er nicht gar der Haupttreiber war. Vielleicht war was zu finden. Vielleicht war doch noch was zu retten.
Mertel wusste selbst, wie unwahrscheinlich das war. Aber was hatte er sonst schon zu tun? Mit gezückter Waffe betrat er den Vorgarten.
Die Gegend war das Allerletzte. Schon bevor das alles passiert war, hatten sie hierher immer wieder ausrücken müssen. Handgreiflichkeiten, Drogen, Kindesmisshandlungen. Damals hatte es hier gewimmelt vor Kriminellen. Jetzt waren die Straßen wie leergefegt. Selbst die Zombies machten einen Bogen um diesen abgefuckten Müllhaufen von Gangsterviertel. Kurioserweise sah es hier jetzt besser aus als in den übrigen Wohngegenden der Stadt. Es gab kaum querstehende Autos, kaum Dreck auf den Straßen und überhaupt keine Leichen.
Das wurde Mertel jetzt erst klar. Warum lagen grundsätzlich nirgendwo Leichen? Die meisten standen wieder auf, klar. Aber was war mit denen, die das nicht mehr konnten? Geköpfte kamen nicht häufig vor, aber es gab sie in anderen Stadtvierteln. Hier nicht.
Die Haustür stand halb offen. Mertel spähte hinein, trat sie ganz auf, lauschte und wagte sich schließlich ins Haus. Er gedachte nicht, nach allgemeinen Spuren zu suchen. Helfert war längst überführt. Beweise spielten keine Rolle mehr. Aber noch als Zombie hatte der Typ mit Technik herumfuhrwerkt und seine Taten gefilmt.
Deshalb führte Mertels erster Weg nach oben. Heimcomputer fand man selten in Wohnzimmern. In der Regel hatten die Leute kleine Arbeitszimmer dafür.
Der erste Raum neben der Treppe war ein Schlafzimmer. Es gab einen Kleiderschrank mit nichtssagenden Klamotten, ein ordentlich gemachtes Bett und ein leeres Nachtschränkchen. Typisches Fake-Zimmer. Wer etwas zu verbergen hatte, verbarg es selten in Gebrauchsräumen. Die
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