Totenacker
unterstützen, kapiere ich ums Verrecken nicht.»
Bernie erzählte ihr Hetzels Geschichte, und sie musste ein wenig lächeln.
«Volker ist ein netter Kerl, vielleicht ein wenig zu gutmütig. Bei uns sind die Herren mit den Hüten auch aufgetaucht, als wir abgelehnt hatten. Aber nur einmal! Gereon hat ihnen sofort mit einer Anzeige wegen Hausfriedensbruch gedroht und unseren Anwalt angerufen. Danach war Ruhe.»
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Dreizehn
Die Pressekonferenz hatte fast zwei Stunden gedauert.
Die lokalen Journalisten hatten sich sofort auf Dr. Zirkel gestürzt. Wie konnte es angehen, dass ein eingefleischter Nazi, der Hunderte von Menschen zwangssterilisiert hatte, nach dem Krieg Chefarzt geblieben war? Waren die Opfer tatsächlich alle an Scharlach erkrankt gewesen und hatten Platz machen müssen für andere Erkrankte, deren Leben «mehr wert» gewesen war?
Auch die Leute vom Boulevard waren da gewesen: Hatte dieses Monster tatsächlich versucht, die gezeichneten Menschen in die Todeskliniken zu schicken?
Die überregionale Presse war auf die Bariumvergiftung angesprungen. Barium? Davon war in der Geschichte doch nie die Rede gewesen.
Nein, hatte Cox bestätigt, soweit sie bisher hatten ermitteln können, war Bariumcarbonat niemals von Nazi-Ärzten als Tötungsmittel eingesetzt worden.
Peter Cox hatte seine leise Freude am Verlauf der Pressekonferenz gehabt. Die Journalisten hatten Dr. Müller nach seinen wohlklingenden Einführungssätzen völlig ignoriert.
Und so war es denn auch Cox gewesen, der schließlich die Ergebnisse noch einmal zusammengefasst hatte:
«Zum jetzigen Zeitpunkt gehen wir davon aus, dass alle Opfer Scharlach hatten und deswegen am 26. September 1944, dem Tag des ersten großen Bombenangriffs auf die Stadt, im Antonius-Hospital gelegen haben. Sicher ist, dass keiner von ihnen bei diesem Angriff getötet oder versehrt wurde, denn die Körper weisen keine entsprechenden Verletzungen auf. Stattdessen starben alle an einer Vergiftung durch Bariumcarbonat, das ihnen oral verabreicht worden sein muss. Und sie wurden alle – unbekleidet – am Opschlag verscharrt, wo sich, wie Fotografien belegen, nach dem 26. September ein großer Bombentrichter befand.»
Und Penny war schließlich zur Tafel gegangen, an der die Vergrößerungen der Rekonstruktionen hingen, und hatte erklärt, dass man eines der Opfer inzwischen sicher hatte identifizieren können: Rosel Claassen.
Bei zwei weiteren Opfern sei die Identifizierung so gut wie abgeschlossen, hatte sie gesagt und dabei auf die alte Aufnahme von Lis und Lisken gezeigt, und sofort waren die Blitzlichter aufgeflammt.
Und dieses Foto – Penny, wie sie dort stand und mit ernstem Gesicht, aber doch zufrieden leuchtenden Augen auf Mutter und Tochter Velten deutete – war es dann auch, das am Dienstagmorgen auf fast jedem Titelblatt der Zeitungen prangte, die Cox hatte besorgen können und mit ins Büro brachte.
Aber sie kamen nicht dazu, auch nur einen einzigen Artikel zu lesen.
Jetzt, wo klar zu sein schien, dass es sich tatsächlich um ein Nazi-Verbrechen handelte, meldete sich auch die internationale Presse.
Der Polizeisprecher war offensichtlich überfordert, denn er stellte immer wieder Gespräche gleich zu ihnen ins Büro durch. Manchmal kündigte er sie wenigstens an: «Ich habe hier die BBC in der Leitung, ich denke, das ist für dich, Penny.»
Bernie stand am Fenster und beobachtete, wie sich der Parkplatz vor dem Präsidium mit Übertragungswagen füllte.
Dann meldete sich die Sondereinheit für NS-Verbrechen vom LKA. Cox nahm das Telefon mit hinaus auf den Gang.
Van Appeldorn stand hinten gegen die Wand gelehnt, die Beine übereinandergeschlagen, und versuchte, Ordnung in seine Gedanken zu bringen.
«Das LKA bietet seine Hilfe an», sagte Cox, als er wieder hereinkam. Sein Gesichtsausdruck war schwer zu deuten. «Aber sie gehen erst mal davon aus, dass wir allein klarkommen. Wie es scheint, haben sie erst heute durch die Presse erfahren, dass es sich um ein NS-Verbrechen handeln könnte. Die Staatsanwaltschaft Kleve habe sich zwar vorige Woche mit ihnen in Verbindung gesetzt, sich allerdings sehr ‹vage› ausgedrückt. Die Düsseldorfer sind ganz schön sauer.»
Bernie grinste gemein. «Der arme Dr. Müller …»
Van Appeldorn stieß sich von der Wand ab. «Könnt ihr den Rummel hier für ein, zwei Stunden allein bewältigen? Bernie und ich müssen diesen Agropark vom Tisch kriegen. Danach stellen auch wir
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