Totenacker
Heilpraktiker auch in Kammern organisiert?»
«Keine Ahnung, aber ich weiß, dass sie beim Gesundheitsamt gemeldet sein müssen.»
In diesem Moment klingelte das Telefon, und gleichzeitig klopfte es.
Sie wechselten einen Blick, dann nahm Cox den Hörer ab, und Penny ging zur Tür.
Eine junge Frau stand dort. Sie hatte ein Album dabei und schaute ziemlich verunsichert drein. «Es ist wegen dem Artikel heute in der Zeitung … Ich habe da ein Foto gefunden.»
Penny lächelte sie aufmunternd an und nahm sie mit in van Appeldorns Büro.
«Setzen Sie sich doch.»
Die Frau mochte um die dreißig sein, sie hatte braunes Haar und ein nettes Fuchsgesicht.
«Ich habe das alles in der Zeitung verfolgt», sagte sie. «Mit den Toten, die Sie am Opschlag gefunden haben. Ich finde es so schrecklich, das mit dem ‹unwerten Leben›. Ich hatte das Wort noch nie gehört … Ich wusste überhaupt nichts davon.» Es war, als ob sie über sich selbst den Kopf schüttelte.
«Dazu sind Sie doch auch viel zu jung», meinte Penny beschwichtigend. «Wie ist denn Ihr Name?»
«Lena Stankowski», antwortete die Frau. «Ich bin Anwaltsgehilfin. Und natürlich haben wir in der Schule die Nazizeit durchgenommen. Aber in meinem Kopf war das alles ganz weit weg, in Berlin oder so, in Großstädten eben. Mir ist überhaupt nie in den Sinn gekommen, dass auch hier bei uns furchtbare Dinge passiert sind.»
Sie schob das Album über den Tisch, es war mit kariertem Leinen bezogen und roch muffig.
«Das hat mal meinem Großonkel gehört», erklärte sie. «Es lag bei meinen Eltern auf dem Speicher. Als ich den Artikel über die beiden Frauen gelesen habe, ist mir dieses Foto eingefallen.» Sie schlug das Album auf. «Mein Großonkel hat es mir mal gezeigt, da muss ich so zwölf oder dreizehn gewesen sein, und ich weiß noch, dass es mich irgendwie gegruselt hat.»
Penny betrachtete die erstaunlich scharfe Aufnahme: Zwei Frauen hatten sich Arm in Arm vor einem Treppengiebelhaus aufgebaut und flirteten mit der Kamera. Lis und Lisken, keine Frage. Marie Beauchamp hatte die Gesichter erstaunlich gut rekonstruiert.
Die ältere der beiden trug ein dunkles Kleid, unter dem klobige orthopädische Schnürstiefel hervorlugten, die jüngere einen engen Rock und einen noch engeren Pullover, der ihren Buckel gut sichtbar werden ließ. Der tiefe V-Ausschnitt jedoch lenkte den Blick des Betrachters auf eine attraktivere Körperregion. Beide Frauen trugen das lange Haar mit Kämmen nach hinten gesteckt, beide hatten dunklen Lippenstift aufgelegt und die Augenbrauen mit dickem Strich nachgezogen.
«Wissen Sie, wer die Frauen sind, wie sie hießen?»
«Nein, leider nicht. Mein Großonkel ist schon lange tot. Er war Fotograf, aber die Aufnahmen in diesem Album muss er schon als Junge gemacht haben. Sie können sie sich gerne anschauen. Er scheint einfach in der Stadt irgendwelche Leute fotografiert zu haben. Meine Eltern kennen die Menschen auch nicht. Aber ich dachte, ich sollte Ihnen das Foto trotzdem zeigen.»
«Definitiv», sagte Penny. «Wären Sie damit einverstanden, wenn wir das Foto an die Presse geben?»
«Ja, natürlich bin ich damit einverstanden. Vielleicht finden Sie durch das Bild doch noch jemanden, der weiß, wie Lis und Lisken wirklich hießen. Am besten, Sie behalten das ganze Album hier.»
Peter sah so zufrieden aus, dass Penny grinsen musste.
«Wer war denn am Telefon?»
«Ein Klever, der mittlerweile in Neuss lebt und Zeitung gelesen hat: Konrad Velten, einundfünfzig Jahre alt. Sein Vater, ebenfalls Konrad Velten, mittlerweile verstorben, hat dem Sohn in einer stillen Stunde von seinem ‹ersten Mal› erzählt.»
«Lisken!», rief Penny.
«Lisken», bestätigte Cox. «Elisabeth Velten nämlich. Und sie war seine Cousine.»
«Wessen?», fragte Penny verwirrt.
«Die Cousine des Vaters, also Konrad Velten senior. Deren Mutter, also unsere Lis, war nämlich die Schwester seines Vaters, also seine Tante. Und die, also Elisabeth I., war wohl das schwarze Schaf im Veltenclan. Hat nie geheiratet, dennoch eine Tochter geboren, nämlich Elisabeth II., also Lisken. Und mein Informant wusste, dass auch schon Lis in jüngeren Jahren in ihrer Freizeit dem ältesten Gewerbe der Welt nachgegangen ist.»
«Das hatte ich mir schon gedacht.» Penny schlug das Album auf und legte es vor ihn hin. «Lis und Lisken.»
Cox wich unvermittelt zurück. «Gott, ist das schräg!»
Dann schaute er genauer hin. «Sie haben sich gern», stellte er
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