Totenacker
Nähe?»
Maik zeigte den Gang hinunter. «Der hat gleich Dienst und zieht sich gerade um.»
Derks verhedderte sich in seinem Hosenbein und stolperte rückwärts, als er van Appeldorns Gesicht sah.
«Hab ich irgendwie Mist gebaut?»
«Das weiß ich noch nicht», antwortete van Appeldorn kühl. «Beim Training letzte Woche Dienstag hast du doch etwas von einem Mann erzählt, den ihr auf den Bahngleisen gefunden habt. Wie hieß der?»
Derks zog hastig seine Hosen hoch. «Warte, da muss ich überlegen, der hatte seinen Führerschein bei sich. Rainer … irgendwas mit Sch. … Steht aber im Bericht.»
«Rainer Schraven?»
«Ja, genau! Schraven hieß der. Was ist denn mit dem?»
«Das tut nichts zur Sache. Also, wie war das am Dienstag?»
«Nun ja, ein Lokführer hatte bei der Leitstelle gemeldet, dass er einen Mann gesehen hatte, der neben den Schienen lag, einen Toten. Wir sind dann zu der Stelle gefahren.»
«Wo war die Stelle?»
«Zwischen Bedburg-Hau und Pfalzdorf, nicht ganz auf der Höhe von dem Wald da, Reiherbusch oder wie der heißt. Aber der Mann war nicht tot, sondern nur bewusstlos. Der kam gerade wieder zu sich. Wir haben dann den Notarzt gerufen.»
«Das geht mir zu schnell. Wo lag der Mann? Wie lag er? War er verletzt?»
«Er hat am Kopf geblutet.»
«Am Hinterkopf?»
«Ja.»
«Und dein Kollege hat gedacht, es müsse sich um einen Selbstmordversuch handeln. Wie kam er darauf?»
Derks’ Ohren wurden immer dunkler.
«Na ja, wie der da lag … So, als hätte er mit dem Kopf auf den Schienen gelegen und wäre dann doch noch irgendwie weggerobbt.»
«Ihr habt ein Foto gemacht, nehme ich an.»
Derks traten kleine Schweißperlen auf die Oberlippe. «N… nein, wir mussten uns doch um den Mann kümmern.»
«Was noch?», bohrte van Appeldorn mitleidlos nach.
«Sonst nichts, Trainer.»
«Lass bloß den Trainer weg! Was noch?»
«Weiß nicht.» Derks war feuerrot geworden. «Der Kollege hat gemeint, es handelt sich um einen typischen Suizidversuch, das hätte er auf seiner früheren Dienststelle oft gesehen. Und außerdem wäre das Ganze sowieso Sache der Bahnpolizei. Allerdings gab es da etwas, das wie seine Schleifspur aussah.»
«Eine Schleifspur?»
«Ja, im Schotter.»
Van Appeldorns Augen wurden ganz schmal. «Gehe ich recht in der Annahme, dass im Protokoll nichts von einer Schleifspur steht?»
Derks nickte und schluckte ein paarmal. «Der Kollege meinte … na ja, er ist doch der Erfahrenere …»
«Wer ist dieser Kollege?»
Derks schaute zu Boden. «Schuster.»
Van Appeldorn ließ ihn einfach stehen.
«Wo steckt Schuster?», blaffte er Maik von der Zentrale an.
Der war einiges gewöhnt. «Auf Streife», antwortete er gelassen.
«Lass mich mal an den Funk!»
«Gern doch, Norbert. Soll ich den richtigen Knopf für dich drücken?»
Van Appeldorn nickte.
«Schuster?», bellte er ins Mikrophon. «Wo steckst du gerade?»
«Bist du das, Norbert?» Trotz des Ätherrauschens konnte man Schusters Verblüffung hören.
«Wo du steckst, will ich wissen!»
«Auf Bewegungsfahrt im Stadtgebiet.»
«Also Kaffee trinken. Schaff sofort deinen Arsch hierher!»
«Hast du sie noch alle? Wie redest du denn mit mir? Das muss ich mir nicht bieten lassen.»
Aber dann war er doch ziemlich schnell zur Stelle.
Van Appeldorn erwartete ihn auf dem Parkplatz.
«Da haben wir ihn also, den erfahrenen Kollegen, sieh an.» Er lächelte dabei. «Den erfahrenen Kollegen, der einem Anwärter beibringt, wie man sich vor der Arbeit drückt und Berichte fälscht.»
«Spinnst du?» Aber Schuster war doch ein wenig blasser geworden. «Willst du mir etwa was anhängen? Das versuch mal, du bist mir gegenüber nicht weisungsbefugt.»
«Was glaubst du wohl, wie sehr mich das interessiert – Kollege?»
Doch Schuster hatte sich fürs Maulen entschieden. «Ich habe es nicht nötig, mich von dir abkanzeln zu lassen! Wenn du so weitermachst, dann kannst du mal sehen, wer am Sonntag für dich auf dem Platz aufläuft!»
«Ich fürchte, du hältst das tatsächlich für eine Drohung.» Van Appeldorn lächelte mokant. «Es wird wirklich immer besser: gefälschte Protokolle, Anstiftung zur Falschaussage, verbale Drohungen.»
Er schob sein Gesicht dicht vor Schusters. «Aber damit beschäftigen wir uns dann zu gegebener Zeit.»
Schuster taumelte einen Schritt zurück.
«Einstweilen will ich von dir nur etwas über diese Schleifspur wissen. Und ich warne dich, überlege dir sehr, sehr gut, was du jetzt
Weitere Kostenlose Bücher