Totenbeschwörung
geringsten Beweis! Wenn sie irgendwelche Anschuldigungen erheben, dann nur als Vorwand, um ihre Sabotagetätigkeit zu decken. Ja, natürlich, sie sind Saboteure, und jetzt haben sie erreicht, was sie wollten. Sie haben ein Wesen von einem fremden Planeten freigelassen und auf uns gehetzt, das über Fähigkeiten verfügt, von denen wir noch nicht einmal zu träumen wagen! Und unsere Antwort ... wird darin bestehen, diesen Nathan zum Abschuss freizugeben. Jeder unserer Agenten erhält den Befehl, unverzüglich zu schießen, sobald er ihn auch nur sieht!«
Siggi schauderte innerlich. Es schien beinahe, als glaube Tzonov selbst an das, was er sich da gerade ausdachte ...
Ein Unteroffizier erschien im Eingangsbereich. Er kam aus der Richtung des Kontrollraums. Vor Krasin nahm er Haltung an, grüßte Tzonov militärisch und zog einen dünnen Notizblock aus einer schwarzen Aktentasche.
»Herr Feldwebel«, wandte er sich an Krasin. »Ihr Befehl lautete, die Räume zu durchsuchen, in denen die Briten untergebracht waren. Das habe ich getan und dabei dies hier gefunden!«
Krasin besah sich den Notizblock. »Da steht nichts drin«, sagte er schließlich.
»Das liegt an der Beleuchtung«, erklärte der Unteroffizier. »Wenn Sie genau hinsehen, werden Sie feststellen, dass sich etwas durchgedrückt hat.«
»Gut gemacht. Sie können den Block hierlassen!« Damit entließ Krasin den Mann.
In Tzonovs Unterkunft betrachteten die drei den Notizblock im Licht einer starken Lampe. Der Unteroffizier hatte recht. Mit einem weichen Bleistift schraffierte Tzonov das Papier, bis die Schrift deutlich zu erkennen war.
»Was soll denn das sein?« Er legte die Stirn in Falten. Doch schon im nächsten Moment verschwand sein Stirnrunzeln und in seiner Miene spiegelte sich so etwas wie Erkennen. Was er vor sich sah, war eine Zeichnung, die eine flache, gewundene Schleife in Form einer liegenden Acht darstellte. »Nathans Ohrring?«
»Mehr als das«, hauchte Siggi. »Es handelt sich um eine Möbiusschleife. Und das ist die Verbindung ...« – Im ersten Augenblick hätte sie sich am liebsten auf die Zunge gebissen, doch dann besann sie sich eines Besseren. Das Ganze war zu einfach. Jemand hatte einen Notizblock, der möglicherweise als Beweis dienen konnte (zumindest in Turkur Tzonovs Augen), in Trasks Zimmer liegen lassen, wo man ihn auf jeden Fall entdecken würde!
»... zu Harry Keogh!«, führte Tzonov ihren Gedanken zu Ende. »Ja, ich erinnere mich! Als Keogh sich zum ersten Mal vor Zeugen teleportierte, hatte er gerade das Grab von August Ferdinand Möbius in Leipzig besucht. Die Volkspolizei hatte ihm eine Falle gestellt und ihn in die Enge getrieben – aber er verschwand, löste sich einfach in Luft auf, nur um im Chateau Bronnitsy wieder aufzutauchen, der damaligen Zentrale unseres E-Dezernats. Er hat es in Schutt und Asche gelegt! – Sie hatten recht, Bruno«, wandte er sich an Krasin, »und diese Kritzelei hier sagt alles. Damit hat Trask sich verraten! Er wollte genau dieselbe Strategie anwenden, die die Briten schon früher benutzt haben, und unseren Außerirdischen nach Leipzig schicken, in der Hoffnung, dass das größte Talent, über das sein Vater, der Necroscope, verfügte, in ihm wiederaufersteht. Nur wird das nicht funktionieren. Im Gegenteil, es wird mit ihm sterben!«
Krasin nickte. Er war zwar nicht vertraut mit der Akte Keogh, aber Tzonovs Begeisterung für diese vielversprechende neue Entwicklung war ansteckend. »Und worin besteht unser nächster Schritt?«
»Ich werde mit Moskau reden müssen, mit Turchin«, erwiderte Tzonov. »Er muss mir in dieser Angelegenheit freie Hand geben. Ich will diesen Nathan tot sehen, was es auch kosten mag. Immerhin ...« – er bedachte Siggi mit einem kurzen Blick – »... haben wir schon einiges aus ihm herausbekommen. Jetzt brauchen wir ihn nicht mehr. Am besten, wir setzen der Sache nun ein Ende. Dann haben die Briten auch keine Möglichkeit mehr, sich seiner zu bedienen.«
Abermals nickte Krasin. »In der Zwischenzeit fahren wir mit unserer Suche fort und ziehen den Kreis immer weiter. Wir müssen ja nicht abwarten, bis er in Leipzig auftaucht!«
»Genau!« Tzonov klopfte ihm auf die Schulter. »Na gut, einverstanden! Machen wir es so!«
Siggi verließ seine Unterkunft als Letzte. Bevor sie ging, nahm sie noch einmal den Notizblock in die Hand und betrachtete die primitive, verräterische Zeichnung. Doch als sie endlich allein in ihrem Zimmer war, lächelte sie
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