Totenbraut (German Edition)
umbringen.“
Dušan war blass geworden und starrte mit unergründlichem Gesichtsausdruck an mir vorbei auf die Lichtung. Anica betrachtete den Boden. Ihre Arme hatte sie so fest verschränkt, als müsste sie sich selbst festhalten. Mit diesem wütenden Stolz, den ich inzwischen so gut an ihr kannte, hob sie ihr Kinn. In ihrem Blick lag maßlose Enttäuschung.
„Danilo hat mir also mehr als fünfzehn Jahre lang verheimlicht, einen Bruder zu haben“, sagte sie mit bebender Stimme. „Und dir, der gekauften Braut, hat er das Geheimnis anvertraut?“
Dušan sagte immer noch nichts. Ich konnte schwer abschätzen, ob er es mir übel nahm, dass ich ihm die Wahrheit über die Vukovićs nicht früher erzählt hatte.
„Es geht um zwei Leben“, beschwor ich beide. „Anica, du musst zu unserer Holzfällerhütte gehen. Verhäng die Fenster, damit kein Sonnenlicht hereinfällt, und warte auf uns. Und erschrick nicht, wenn du ihn siehst. Er sieht aus wie ein Ungeheuer, aber er ist keines.“
Sie schluckte, eine stolze, verletzte Frau, aber ich liebte sie in diesem Moment dafür, dass sie einfach nickte. Und endlich sah auch Dušan mich wieder an, und ich erkannte, dass er mir tatsächlich grollte. „Nun, so hat wohl jeder seine Geheimnisse“, sagte er und ging zum Wagen.
Mein Kopftuch flatterte davon und jeder Muskel schmerzte, als sich nach einem stürmischen Ritt der Wald lichtete und die Türme vor uns auftauchten. Mit einem Mal war alles wieder gegenwärtig: die Beklemmung, die Albträume, die Ungewissheit.
Das Gut wirkte verlassen. Kein Sivac sprang mir entgegen, die Hühner waren verschwunden, Federn ballten sich neben der Mauer. Kein Meckern von Ziegen, dafür zerbrochene Gegenstände auf dem Weg – ein Krug, Teller aus der Türkenkammer. Im oberen Stockwerk schaukelte ein Fensterladen im Wind, alle anderen Läden waren fest verschlossen. Ich rief nach Simeon und Nema, aber niemand antwortete. Die Tür war abgeschlossen.
„Vielleicht sind sie bei ihm!“, sagte ich zu Dušan. Mit den Pferden, die nach dem scharfen Ritt unwillig hinter uns her trabten, rannten wir um das Haupthaus herum, wo ich nach der Klappe suchte. Kaum hatte ich sie entdeckt, ließ ein Klirren im Haus mich herumfahren. Haben sie Vampir ins Haupthaus geholt?, überlegte ich. Sind deshalb alle Läden geschlossen? Ich schalt mich, dass ich nicht sofort daran gedacht hatte. Mein Blick schweifte zum Laden von Nemas Kammer. „Dušan“, sagte ich, „ich muss dort hinein!“
Er warf einen prüfenden Blick auf das verwitterte Holz und nickte. „Geh zur Seite“, meinte er nur und band seine Axt vom Sattel los.
Der Laden brach bereitwillig wie ein trockener Ast. Ich fasste durch die Lücke, entriegelte das Fenster und kletterte in Nemas Kammer. Sie war leer. Die Tür war geschlossen, und als ich sie behutsam öffnete, erwartete mich auch hier Dunkelheit. Es roch stickig, nach Ruß und erkalteten Dochten.
„Nema?“, fragte ich leise und schlich über den Flur. Ein Klicken neben meinem Ohr ließ mich erstarren.
„Die Verräterin kehrt zurück“, sagte eine heisere Stimme. „Was willst du hier, Jasna?“
Simeon! Ich blickte zur Seite und prallte mit einem Keuchen zurück. Sein Gewehr war auf mich gerichtet. Einen Herzschlag lang war ich sicher, er würde mich erschießen, doch dann senkte er die Waffe.
„Danilo ist noch nicht zurück“, sagte er müde und so schleppend, als sei er nicht ganz bei sich. „Er ist heute Morgen zum Grab gegangen und seitdem ist er fort. Was meinst du? Hat er sich auch davongemacht? So wie seine feige Frau?“
Ich schluckte und wagte nicht, ihm zu antworten. Simeons Finger lag am Abzug, doch er machte keine Anstalten mehr, mich zu bedrohen. „Aber es ist ohnehin zu spät“, sagte er und seufzte. „Zu spät für alles.“ Mit hängenden Schultern schlurfte er zur Türkenkammer und stieß die Tür auf. Der Schein einer einzelnen Kerze fiel auf den Boden. Stroh war vom Tisch auf den Boden gefallen. Und im Kerzenschein erahnte ich ein Laken, das eine magere Gestalt bedeckte. Das Mitleid schnürte mir die Kehle zu. „Vampir!“, flüsterte ich.
Doch dann sah ich genauer hin: Auf dem Stuhl lag eine zusammengefaltete Schürze. Und darauf mein Schlüsselbund, der früher Nema gehört hatte.
„Nein, nicht Vampir. Nema. Ein Wolf hat sie angefallen“, murmelte Simeon. „Gestern, als sie zur Quelle gehen wollte, um Wasser zu holen. Die arme Seele.“
Der Boden schwankte unter mir. Meine Nägel
Weitere Kostenlose Bücher