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Totenbraut (German Edition)

Totenbraut (German Edition)

Titel: Totenbraut (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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am 16. Oktober, kam ich nachmittags aus dem Taldorf und fand Fußspuren im Schlamm neben dem Haus. Von bloßen Füßen. Danica sollte auf Bela achtgeben, aber Bela war aus dem Bett aufgestanden und hatte sich über deine Strickleiter heimlich aus dem Haus gestohlen! Wir suchten lange nach ihr. Mein Herz blieb stehen, Jasna, als ich sie schließlich entdeckte. Im Nachtkleid stand sie am Hang über dem Flüsschen. Ich schrie ihren Namen und stürzte auf sie zu. Sie streckte die Arme nach mir aus, aber bevor ich sie erreichte, umfing sie jemanden, der nicht da war – und sprang! Sie sprang einfach, Jasna, und versank in den Fluten. Ich weine wieder, während ich die Worte spreche. Sie sprang und wir fanden nicht einmal ihren Leichnam. “
     
    Ich hörte kaum, was der Mann mir noch mit seiner leiernden, näselnden Stimme vorlas. Schließlich faltete er den Brief zusammen und gab ihn mir mit einem misstrauischen Stirnrunzeln zurück. Ich reichte ihm ein Geldstück und verließ die Amtsstube.
    Ich konnte nicht weinen.
    Ich ging heim und schürte das Feuer, ich setzte den Kessel auf, um Suppe zu kochen. Erst als alle Arbeit getan war, setzte ich mich ans Fenster und sah auf die weißen Schneeflächen, die in der Sonne gleißten wie Belas Feenschein. Als ich sie an der Morava gesehen hatte, war sie kein Schatten ihrer selbst gewesen, nicht ausgezehrt und schwach. Ich ahnte, dass nur ich ihre wirkliche Gestalt kannte.
    „Als ich krank war, in der Flößerhütte, da hast du mir eine Geschichte erzählt“, sagte ich leise zu Matej. „Von den Vilen. Bitte ... ich ... will sie noch einmal hören!“
    Und während wir beide aus dem Fenster blickten, lauschte ich seiner Stimme: „Als Adam und Eva auf die Erde kamen, zeugten sie viele Kinder. Eines Tages befahl Gott Eva, ihre Kinder alle auf einen Berg zu bringen. Eva befürchtete, er würde sie töten. Deshalb nahm sie ihre schönsten Kinder heimlich beiseite und versteckte sie. Als sie ihre anderen Kinder zu Gott gebracht hatte, fragte er sie nach den übrigen, doch Eva verleugnete sie. Da sagte er: ‚Geh und bringe deine Kinder nach Hause. Sie sind von mir gesegnet. Von den anderen aber sollst du keines mehr finden.‘ Als Eva nach Hause kam, war von ihren schönsten Kindern nichts zu sehen. Sie waren fortgegangen – die einen in den Wald, die anderen ins Wasser, um fortan dort zu leben.“
    Ich weinte um Bela mehr als um meine Mutter oder meinen Vater. Matej küsste meine Stirn und wiegte mich hin und her. Ich wollte ihm sagen, dass meine Mutter so oft erzählt hatte, dass Bela wohl ein Geschenk der Vilen war. So fremd war sie uns, wie aus einer anderen Welt. Dabei muss ihr unsere Welt ebenso fremdartig und seltsam erschienen sein.
    „Der Fluss ist kein geiziger Mann“, versuchte Matej mich zu trösten. „Alles, was er verschlingt, gibt er irgendwann auch wieder her. Du wirst sehen: Sie wird ihr Grab bekommen und ihren Frieden finden.“
    Ich schluckte und schüttelte traurig den Kopf. „Meine Bela braucht kein Grab“, sagte ich und wischte mir über die Augen. „Sie ist zu Hause.“
     

     
    Als Jasna Alazović verließ ich meine Heimat. Ich lebte in der Fremde als Jasna Vuković. Und nun kehre ich als Jasna Veletok in mein Elternhaus zurück.
    Auch bei meiner zweiten Hochzeit war ich keine reich beschenkte Braut. Mein einziger Schmuck war mein Lächeln. Kein Hochzeitszug begleitete meinen Bräutigam und mich und vielleicht haben wir das Schicksal herausgefordert, weil wir entgegen dem Brauch den Ehesegen nicht im Herbst, sondern im Februar empfangen haben. Unsere Zeugen waren der Opankenmacher, der uns die Hütte verpachtete, und seine Frau – sie waren die einzigen Rechtgläubigen, die wir in Ćuprija länger als wenige Wochen kannten. Das einzige Hochzeitsgeschenk war eine Schürze voller Winteräpfel. Unser Festmahl bestand aus einer Rübensuppe mit ein wenig Speck, an der wir uns am Abend die Hände wärmten. Doch diesmal lachte ich in meiner Hochzeitsnacht, und ich erinnere mich an jedes Wort meines Eheversprechens.
    „ Mile ist zurückgekehrt. “ Das hatte mir meine Schwester damals noch am Ende ihres langen Briefes geschrieben. „ Er hat genug Geld für ein Stück Land und ein Haus im Taldorf verdient – er hat es schon bezahlt, es steht unweit der Mühle. Ich und die Kleinen wohnen bereits dort, denn nach Belas Tod wollte keine von uns auch nur einen Tag länger in dem Un glückshaus bleiben. “
    Nun, für mich ist es kein Unglückshaus. Es wird

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