Totenbraut (German Edition)
seine Erlaubnis nicht und drohte seinem Sohn, ihn zu enterben. Jovan war trotzdem versessen auf diese Heirat. Das Weib hatte ihn vollkommen verhext. Gegen den Willen seines Vaters bezahlte er einen Popen von außerhalb, ihm und Marja den Ehesegen zu geben. Seltsamerweise starb der alte Vuković zwei Wochen nach dieser unseligen Hochzeit und vermachte das ganze Gut seinem Sohn, von dem er eigentlich nichts mehr wissen wollte. Milutin verfluchte die Ehe auf dem Kirchplatz. Gott werde zeigen, ob Marja schuldig an Vukovićs Tod sei, sagte er. Und Gott“ – wieder bekreuzigte Branka sich – „deckte ihre Schuld schon bald auf. Du hättest sie sehen sollen, Mädchen! Keine zwei Jahre nach Danilos Geburt begann sie sich zu verwandeln. Sie wurde weißer, als sie ohnehin schon war, ihre Augen färbten sich rot und ihre Zähne wurden dunkel. Gott nahm ihr das Tageslicht und jagte sie in die Dunkelheit. Sie bekam Schwären auf der Haut, sobald die Sonne sie berührte.“
Plötzlich fror ich bis auf die Knochen. Wirre Gedanken kreisten in meinem Kopf und machten mich so schwindelig, dass ich die Augen schließen musste. Ich sah die geisterhafte Fratze: schwarze Zähne, blasse Wangen, Augen wie Flecken.
„Tagsüber sahen wir sie nie wieder“, fuhr Branka fort. „Aber einer, der nachts am Hof vorbeiging, entdeckte Marja, die am Tor stand. Sie hatte ein Messer in der Hand und trank das Blut eines Huhns direkt aus der Stichwunde! Schließlich schickte der Himmel das Feuer zu ihr und steckte den Turm in Brand. Und sie verbrannte darin zu Asche und ...“
„Hört auf!“ Der Schrei war in meiner Kehle emporgestiegen, bevor ich ihn hätte aufhalten können. Das Bild des Turmes trat vor meine Augen, sturmdunkel und bedrohlich wie ein fremdartiges Grabmal. Marja war also in diesem Turm verbrannt!
„Ruhig, Liebchen, ruhig!“, rief Branka. Sie sprang auf, setzte sich neben mich und legte den Arm um meine Schulter. „Oh, du zitterst ja! Ich wollte dich nicht erschrecken.“ Die Worte der Alten waren warm und mitfühlend, aber irgendwo, tief in meinem Inneren, dachte ich, dass sie auch ein wenig zufrieden klang.
„Ich weiß, es ist schwer für dich“, murmelte sie besorgt. „So ein junges Ding, allein gelassen auf einem Gut, wo das Böse im Turm spukt. Marjas Körper ist zu Asche zerfallen, sie müsste ganz und gar vernichtet sein, aber der Teufel erhält sie offenbar noch am Leben. Sie sucht dich als Mora heim, nicht wahr? Als böses Nachtgespenst, das dir den Atem nimmt. Pass auf, dass sie nicht im Schlaf dein Blut aussaugt! Ach, wie sehr muss sie dich hassen!“
Es war seltsam: Ich mochte Branka und hätte nichts lieber getan, als mich in ihre Arme zu flüchten und mich trösten zu lassen. Aber dennoch vertraute ich der Alten nicht ganz und gar.
„Niemand sucht mich heim“, murmelte ich. „Ich kam wirklich nur her, weil ich Euch einen Besuch abstatten wollte. Und um Euch zu fragen, wer mir im Dorf einen Hund verkaufen könnte.“ Vorsichtig entzog ich mich Brankas Arm, indem ich mich zum Korb beugte und die Flasche Branntwein hervorholte. „Genügt das als Bezahlung?“
Die Alte sah mich lange an, als versuchte sie meine Gedanken zu lesen. Es kostete mich viel Beherrschung, den Blick nicht zu senken. Dann, nach einer Ewigkeit, nahm sie die Flasche und nickte. „Ich werde sehen, was ich tun kann“, sagte sie und besiegelte damit einen unausgesprochenen Pakt zwischen uns. Wenn Branka mich aufnahm, würden die Dorfbewohner mich vielleicht ebenfalls willkommen heißen. Nicht heute und nicht morgen, aber eines Tages.
Branka lächelte und stand auf. „Komm mich wieder besuchen, wenn du im Dorf bist, Jasna! Und für heute gebe ich dir einen guten Ratschlag mit auf den Weg. Lege zur Sicherheit einen Gürtel längsseits auf dein Bett, bevor du schlafen gehst. Wenn Marja dich als Mora nachts heimsuchen will, um dein Blut zu trinken oder dein Herz zu fressen, wird sie den Gürtel sehen und glauben, das sei eine andere ihrer Art, die sich wie ein Band über dich gelegt hat und sich bereits an dir labt. Dann wird sie dich zufrieden lassen.“
Auf dem Rückweg war ich so bekümmert und verwirrt, dass ich mehrmals über Steine stolperte. Es war, als würden Bleigewichte in meinen Opanken liegen. Nichts zog mich zurück zum schwarzen Turm, aber ich hatte keine Wahl. Im Sonnenschein war es zwar leichter, über Marja nachzudenken, doch die Angst, das wusste ich jetzt bereits, würde mich in der Nacht wieder
Weitere Kostenlose Bücher