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Totenbraut (German Edition)

Totenbraut (German Edition)

Titel: Totenbraut (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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einholen.
    Ich hatte den Galgenbaum bereits hinter mir gelassen, als ich Galoppschlag wahr nahm. Ein schwarzes Pferd preschte heran – und auf seinem Rücken saß Danilo. Klumpen von Erde und Büschel von Gras flogen mir entgegen, als er seinen Wallach aus dem Galopp direkt vor mir zum Stehen brachte. Sein Mund war ein einziger wutbleicher Strich. Im ersten Augenblick glaubte ich, er würde die Pferdepeitsche nehmen und mich damit züchtigen, und hob schützend den Arm vor das Gesicht.
    „Was zum Teufel tust du hier draußen?“, fuhr er mich an. „Wer hat gesagt, dass du ins Dorf gehen darfst?“
    „Heute Nacht und am Morgen konnte ich dich schließlich kaum um Erlaubnis fragen“, erwiderte ich so ruhig, wie ich es vermochte. „Du warst nicht da. Außerdem: Wer wird mir verbieten, die Kirche zu besuchen? Ich sollte dir doch vom Leib bleiben – und weiter weg als in der Kirche kann ich dir wohl kaum sein.“
    Obwohl er auf dem Pferderücken weit über mir saß und so überlegen wirkte, war es mir gelungen, ihn zu überrumpeln. Und ich stellte fest, dass Danilo hier im Tageslicht nichts weiter als ein jähzorniger Mann war, dem ich die Stirn bieten konnte.
    „Du wolltest in die Kirche?“, fragte er spöttisch. „Die Mühe kannst du dir sparen. Bete im Jelena-Turm! Wir sind von der Kirche ausgeschlossen.“
    „Ihr Männer, nicht ich“, entgegnete ich mit fester Stimme und hob das Kinn. „Ich habe mit eurer Vergangenheit nichts zu tun.“
    Danilos Miene verdüsterte sich noch mehr. Sein Wallach tänzelte auf der Stelle und stemmte sich gegen den Zügel. Und ich hätte schwören können, Danilo würde ihm die Sporen geben und mich in einem Hagel aus Erdbrocken zurücklassen. Doch zu meiner Überraschung streckte mir mein Mann die Hand hin.
    „Los!“, befahl er. „Mach schon, ich habe nicht den ganzen Tag Zeit!“
    Zögernd schob ich den Henkel des leeren Korbes bis zur Schulter hoch, ergriff Danilos Hand und hangelte mit dem Fuß nach dem Steigbügel, den er mir zum Aufsteigen überließ.
    „Halte dich fest“, knurrte er und schon setzte sich das Pferd wieder in Bewegung. Ich hatte erwartet, dass Danilo den Wallach zum Galopp antreiben würde, aber offenbar hatte er es ebenso wenig eilig wie ich, zu den drei Türmen zurückzukehren, und begnügte sich stattdessen mit einem schnellen Schritt.
    Es war seltsam, ihm so nahe zu sein. Sein Haar streifte meine Stirn, als er den Kopf wandte, und ich nahm den Geruch nach Haut, Leder und Salbei wahr. Nur einmal waren wir einander so nahe gekommen und die Erinnerung daran ließ mir den Schweiß ausbrechen.
    Eine Weile ritten wir schweigend dahin. Als die Stille immer bedrückender wurde, nahm ich meinen Mut zusammen. Was hatte ich noch zu verlieren?
    „Stimmt es wirklich, dass Marja kein Grab hat?“
    Augenblicklich spürte ich, wie Danilo sich versteifte. Doch dann räusperte er sich und antwortete mit Trauer in der Stimme: „Sie ist verbrannt, ja. Ganz und gar. Aber sie hat ein Grabmal.“
    Ich fröstelte. Der Turm. Deshalb also ließ Jovan ihn nicht einreißen.
    „Nema sagt, der Turm geriet durch Blitzschlag in Brand.“ Danilo nickte nur stumm.
    „Und was ist mit dem, was man sich über Marja erzählt? Hatte sie weiße Haut und ertrug kein Licht?“
    „Oh, ein einziger Besuch im Dorf hat also schon genügt, dass du den ganzen Unsinn hörst, den man über sie verbreitet“, erwiderte Danilo mit barschem Spott. „Sie hatte helle Haut, na und? Und dass sie lange kein Sonnenlicht sah, hatte nur einen Grund: Sie hatte sich aus Kummer im Turm eingeschlossen. Ganz oben unter dem Dach. Dort ... brannte es am schlimmsten.“
    Es war leichter, mit Danilo zu sprechen, wenn ich ihm dabei nicht ins Gesicht sehen musste. Und so wagte ich mich noch ein Stück weiter vor. „Hat sie sich wegen der Dorfbewohner und dem Priester zurückgezogen?“, fragte ich vorsichtig. „Weil sie glaubten, du ... seist nicht Jovans Sohn und ...“
    Danilo zog scharf die Luft ein und ich verstummte auf der Stelle. Es folgte eine gespannte Stille voller Leid, das sich nicht in Worte fassen ließ. Jeder von uns, das begriff ich nun, war in seinem eigenen Elend gefangen. Zum ersten Mal verstand ich etwas von Danilos Wesen. Und unter anderen Umständen – wer weiß? – hätte ich ihn vielleicht sogar gernhaben können.
    „Oh nein, ganz bestimmt nicht deswegen“, sagte er schließlich mit Bitterkeit in der Stimme. „Sondern weil mein Vater es glaubt.“
    Er gab dem Pferd die Sporen, und

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