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Totenbuch

Totenbuch

Titel: Totenbuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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besondere
Bedeutung für ihn. Eines steht jedenfalls fest: Ich habe schon oft Sand und
Erde in Vergrößerung gesehen, aber niemals so etwas.«
    Dr. Franz verstellt die
Kontraste und erhöht den Vergrößerungsfaktor. »Jetzt wird es noch seltsamer«,
verkündet er.
    »Epithelien? Abgestoßene Schleimhautschuppen?«
Scarpetta mustert den Bildschirm. »Davon war im Fall Drew Martin nicht die
Rede. Ich muss Capitano Poma anrufen. Die Ergebnisse hängen immer davon ab, was
bei der Untersuchung für wichtig befunden beziehungsweise überhaupt
wahrgenommen wurde. Außerdem besitzt auch das bestausgestattete Polizeilabor
keine Geräte von R&D-Qualität oder so ein Ding wie dieses hier.« Sie meint
das LC-SEM.
    »Tja, hoffentlich wurde keine
Massenspektrographie durchgeführt und die gesamte Probe in ein Säurebad
getaucht. Dann wäre nämlich nichts mehr übrig, was man testen könnte.«
    »Man hat nur eine
Raman-Spektroskopie vorgenommen«, erwidert sie. »Eventuell vorhandene
Hautzellen müssten also noch in den Sandproben feststellbar sein. Aber wie ich
schon sagte, weiß ich nichts davon. Es stand nicht in den Berichten. Niemand
hat es erwähnt. Ich muss Capitano Poma anrufen.«
    »In Italien haben sie schon
sieben Uhr abends.«
    »Poma ist hier, tja, das heißt,
in Charleston.«
    »Jetzt verstehe ich überhaupt
nichts mehr. Sie sagten doch vorhin, er sei Carabiniere, kein Mitarbeiter der
Polizei von Charleston.«
    »Er ist gestern Abend ziemlich
unerwartet bei uns aufgetaucht. Fragen Sie mich nicht. Ich tappe ebenso im
Dunkeln wie Sie.«
    Scarpetta ist noch immer
gekränkt, denn es war keine angenehme Überraschung, als Benton plötzlich,
Capitano Poma im Schlepptau, mitten in der Nacht vor ihrer Tür stand. Im ersten
Moment hat es ihr die Sprache verschlagen. Nach ein paar Tassen Kaffee und
einer heißen Suppe sind die beiden so schnell verschwunden, wie sie gekommen
waren. Seitdem hat Scarpetta Benton nicht gesehen. Sie ist traurig, fühlt sich
überrumpelt und weiß nicht, wie sie bei ihrer nächsten Begegnung reagieren
soll. Wann immer diese auch stattfinden mag. Vor ihrem Abflug heute Morgen hat
sie sogar überlegt, ob sie den Ring abnehmen soll.
    »DNA«, sagt Dr. Franz gerade.
»Also wollen wir die Probe nicht mit Bleiche verderben. Allerdings wäre ohne
Hautschuppen und Fette - falls es sich um solche handelt - natürlich das Signal
klarer.«
    Es ist, als betrachte man eine
Sternenkonstellation. Gleichen sie Tieren? Dem Großen oder dem Kleinen Bären
vielleicht? Hat der Mond ein Gesicht? Was sieht sie wirklich? Scarpetta
versucht, nicht an Benton zu denken und sich auf ihre Aufgabe zu konzentrieren.
    »Keine Bleiche. Außerdem sollten
wir sicherheitshalber unbedingt die DNA untersuchen«, erwidert sie.
    »Obwohl Epithelien nach dem
Abfeuern einer Waffe häufig festzustellen sind, allerdings nur, wenn man die
Hände des Verdächtigen mit doppelseitigem Karbonband behandelt. Also ergibt
das, was wir hier sehen - sofern es sich wirklich um Hautpartikel handelt - nur
dann Sinn, wenn diese von den Händen des Täters stammen. Eine andere
Möglichkeit wäre, dass die Zellen sich bereits auf der Fensterscheibe befanden.
Doch das wäre seltsam, denn die Scheibe wurde abgewischt, wobei Fasern
zurückgeblieben sind. Und zwar weiße. Das schmutzige T-Shirt, das im Wäschekorb
sichergestellt wurde, besteht aus weißer Baumwolle. Was sagt uns das? Eigentlich
nicht viel, denn in einer Waschküche wimmelt es naturgemäß von mikroskopischen
Faserspuren.«
    »Bei so starker Vergrößerung
verwandelt sich alles in Gewimmel.« Dr. Franz betätigt die Maus und lässt den
Elektronenstrahl weiter über die Glasscherben streichen.
    Die Spalten zwischen dem
durchsichtigen getrockneten Polyurethan-Schaum sehen aus wie Schluchten. Die
verschwommenen weißen Umrisse könnten weitere Epithelien sein. Bei den Linien
und Poren handelt es sich vielleicht um einen Hautabdruck, weil irgendein
Körperteil mit der Scheibe in Kontakt gekommen ist. Außerdem sind da noch
Bruchstücke von Haaren.
    »Ist jemand gegen die Scheibe
gestoßen oder hat dagegengeschlagen?«, fragt Dr. Franz. »Womöglich ist das
Fenster ja so zu Bruch gegangen.«
    »Jedenfalls nicht mit der Hand
oder mit der Fußsohle«, wendet Scarpetta ein. »Die Rillen fehlen.« Immer wieder
muss sie an Rom denken. »Vielleicht wurden die Schießpulverspuren ja nicht von
einer Hand übertragen, sondern befanden sich bereits im Sand.«
    »Sie meinen, bevor der Täter ihn
berührt

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