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Totenbuch

Totenbuch

Titel: Totenbuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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hat?«
    »Mag sein. Wir wissen genau,
dass Drew Martin nicht erschossen wurde. Und dennoch hat man Spuren von
Barium, Antimon und Blei in dem Sand in ihren Augenhöhlen gefunden.« Scarpetta
lässt den Ablauf noch einmal Revue passieren, um vielleicht einen Widerspruch
zu entdecken. »Er hat ihr den Sand in die Augenhöhlen gefüllt und die Lider
mit Klebstoff verschlossen. Also können die mutmaßlichen Schießpulverspuren von
seinen Händen auf den Sand übertragen worden sein, denn er hat ihn ganz sicher
berührt. Aber was ist, wenn die Rückstände schon vorher da gewesen wären?«
    »Ein Mörder, der so etwas tut,
ist mir noch nie untergekommen. In was für einer Welt leben wir nur?«
    »Hoffentlich bleibt es auch das
einzige Mal. Ihre Frage ist übrigens eine, die ich mir schon länger stelle«,
erwidert sie.
    »Nichts spricht dagegen, dass
das Zeug schon da gewesen sein könnte«, sagt Dr. Franz. »Mit anderen Worten« -
er weist auf den Bildschirm - »lautet die Überlegung, ob wir es mit Sand auf
Klebstoff oder Klebstoff auf Sand zu tun haben. Befand sich der Sand schon
vorher an den Händen des Täters, oder hat er die Hände später in den Sand
gesteckt? Sie sagen, in Rom wäre keine Massenspektrographie angewendet worden.
Hat man den Klebstoff mit dem FTIR -Spektrometer-Mikroskop analysiert?«
    »Ich glaube nicht. Ich weiß nur,
dass es sich um Zyanoacrylat handelt«, antwortet sie. »Vielleicht lässt sich
mit einem FTIR-Spektrometer-Mikroskop ja ein molekularer Fingerabdruck
ermitteln.«
    »Einverstanden.«
    »Auf dem Klebstoff am Fenster
und dem an der Münze.“
    »Natürlich.«
    Das Arbeiten mit Fourier
Transform Infrared Spectroscopy - dem Spektrometer-Mikroskop - ist, anders als
der komplizierte Name vermuten lässt, keine Zauberei. Die chemischen Verbindungen
eines Moleküls absorbieren die Wellenlängen des Lichts und erzeugen so ein
nachvollziehbares Spektrum, das unverwechselbarer ist als ein Fingerabdruck.
Auf den ersten Blick entdecken Scarpetta und Dr. Franz nichts Überraschendes.
Das Spektrum des Klebstoffs auf dem Fenster und dem auf der Münze ist
identisch. Beide bestehen aus Zyanoacrylat, allerdings einer Spielart, die
Scarpetta und Dr. Franz unbekannt ist. Die Molekularstruktur unterscheidet sich
völlig von handelsüblichem Superglue, der aus Ethylcyanoacrylat besteht.
    »Zwei-Octylcyanoacrylat«,
verkündet Dr. Franz. Ihnen läuft die Zeit davon. Inzwischen ist es schon halb
drei. »Keine Ahnung, was das sein soll. Ich weiß nur, dass wir es
offensichtlich mit einem Klebstoff zu tun haben. Und was ist mit der
Molekularstruktur des Klebstoffs in Rom?«
    »Ich glaube, danach hat niemand
gefragt«, erwidert Scarpetta.
    Die historischen Gebäude sind
sanft erleuchtet. Der weiße Turm von St. Michael ragt steil zum Mond empor.
    Von ihrem luxuriösen Zimmer aus
kann Dr. Seif Hafen, Meer und Himmel kaum voneinander unterscheiden, weil keine
Sterne am Himmel stehen. Es hat zwar aufgehört zu regnen, fängt aber sicher
gleich wieder an.
    »Ich liebe den Ananasbrunnen,
auch wenn er von hier aus nicht zu sehen ist.« Sie spricht mit den Lichtern der
Stadt, die durch das Fenster hereinleuchten, weil sie keine Lust hat, sich zu
Shandy umzudrehen. »Er steht weiter unten am Wasser hinter dem Markt.
    Im Sommer planschen die kleinen
Kinder darin, viele von ihnen kommen aus ärmlichen Verhältnissen. Wer in einer
der teuren Eigentumswohnungen dort lebt, muss sich ziemlich viel Lärm gefallen
lassen. Achtung, ein Hubschrauber! Hörst du ihn auch?«, sagt Dr. Seif. »Die
Küstenwache. Die großen Flugzeuge gehören der Air Force. Wie fliegende
Kriegsschiffe donnern sie alle paar Minuten über unsere Köpfe hinweg. Aber du
weißt ja sicher, wie die Regierung mit diesen Flugzeugen unsere Steuergelder
verschleudert.«
    »Ich hätte dir nichts verraten,
wenn ich geahnt hätte, dass du dann die Zahlungen einstellst«, erwidert Shandy.
Sie sitzt auf einem Stuhl am Fenster, allerdings ohne sich für die Aussicht zu
interessieren.
    »Nichts als Verschwendung und
sinnloser Tod«, fährt Dr. Seif fort. »Denn schließlich ist uns allen klar, was
passiert, wenn unsere Jungs und Mädchen nach Hause kommen. Und zwar nur allzu
gut, oder, Shandy?«
    »Wenn du zahlst, was wir
vereinbart haben, lasse ich dich vielleicht in Ruhe. Ich will nicht weniger
kriegen als die anderen. Wo liegt das Problem? Der Irak ist mir scheißegal«,
antwortet Shandy. »Ich habe keinen Bock, stundenlang hier rumzusitzen, während
du über

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