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Totenbuch

Totenbuch

Titel: Totenbuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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nicht stillen
können, sind in ihrer Schutz- und Liebesfähigkeit stark eingeschränkt.«
    »Ich verstehe den Zusammenhang nicht. Wollen Sie
damit andeuten, dass Ihre Mutter in Haft war?«
    »Sie hat mich nie an die Brust gedrückt, mich
gestillt, mich mit ihrem Herzschlag beruhigt oder Augenkontakt zu mir aufgenommen,
während sie mit Flasche, Löffel oder Schaufel das Essen in mich hineingeprügelt
hat. Hat sie das bei ihrem Gespräch mit Ihnen zugegeben? Haben Sie sie nach
unserer früheren Beziehung gefragt?«
    »Wenn wir die Gespräche mit den Müttern der
Probanden aufzeichnen, interessieren wir uns nicht für die Vergangenheit.«
    »Ihre Weigerung, Nähe zuzulassen, führte dazu, dass
ich mich zurückgewiesen fühlte, eine Abwehrhaltung gegen sie entwickelte und
noch stärker dazu neigte, ihr die Schuld für das Verschwinden meines Vaters zu
geben.«
    »Sie meinen an seinem Tod.«
    »Finden Sie es nicht auch interessant, dass Kay und
ich beide in jungen Jahren unsere Väter verloren haben und Ärztinnen geworden
sind? Doch während ich die Seelen der Lebenden heile, schneidet sie die Körper
der Toten auf. Ich habe mich schon immer gefragt, wie sie wohl im Bett sein
mag. Vor allem, wenn man ihren Beruf bedenkt.«
    »Sie geben Ihrer Mutter also die Schuld am Tod Ihres
Vaters.«
    »Ich war eifersüchtig. Ich bin mehrmals zufällig ins
Zimmer gekommen, als sie gerade Sex hatten. Ich habe es genau gesehen. Von der
Türschwelle aus. Meine Mutter gab ihm ihren Körper. Warum ihm und nicht mir? Warum sie und nicht ich? Ich
wollte das, was sie einander schenkten, ohne zu ahnen, was es zu bedeuten
hatte. Denn natürlich hatte ich nicht den Wunsch nach genitalem Sex mit meinen
Eltern und begriff nicht, was sie da trieben. Wahrscheinlich dachte ich, dass
sie Schmerzen hatten.«
    »Im Alter von knapp zwei Jahren sind Sie mehr als
einmal ins Zimmer gekommen und können sich noch daran erinnern?« Inzwischen
hat er den Diagnosefragebogen weggelegt und macht sich Notizen.
    Dr. Seif räkelt sich auf dem Bett und nimmt eine
bequemere - und aufreizendere - Körperhaltung ein, damit Benton auch nicht eine
einzige ihrer Kurven verborgen bleibt. »Meine Eltern waren so vital und
strotzten von Lebenskraft. Und im nächsten Moment darauf war er fort. Kay
hingegen musste mit ansehen, wie ihr Vater an Krebs dahinsiechte. Ich habe mit
dem Verlust gelebt, sie mit dem Sterben, und das ist ein Unterschied. Sehen
Sie, Benton, als Psychiaterin ist es meine Aufgabe, das Leben meiner Patienten
zu verstehen, während Kay ihren Tod ergründen muss. Das hat doch sicher auch
Auswirkungen auf Sie.«
    »Ich bin hier nicht das Thema.«
    »Ist es nicht wundervoll, dass all die starren
Klinikvorschriften im Pavillon nicht gelten? Hier sitzen wir. Und zwar trotz
der Vorfälle, als ich hierherkam. Hat Dr. Maroni Ihnen eigentlich anvertraut,
dass er in meinem Zimmer war? Nicht in diesem hier, sondern im ersten. Dass er
die Tür geschlossen und mir den Morgenmantel geöffnet hat, um mich zu
berühren? War er früher vielleicht als Gynäkologe tätig? Das Thema scheint
Ihnen peinlich zu sein, Benton.«
    »Fühlen Sie sich derzeit übermäßig sexuell erregt?«
    »Ach, jetzt habe ich wohl einen manischen Schub.«
Sie lächelt. »Schauen wir mal, mit wie vielen Diagnosen wir heute Nachmittag
noch aufwarten können. Allerdings bin ich nicht deswegen hier. Das wissen wir
beide.«
    »Sie sagten, der Grund sei die E-Mail gewesen, die
Sie am vorletzten Freitag bei einer Pause im Studio entdeckt haben.«
    »Ich habe Dr. Maroni von der E-Mail erzählt.«
    »Soweit ich im Bilde bin, haben Sie behauptet, nur
diese eine erhalten zu haben«, hakt Benton nach.
    »Man könnte fast vermuten, dass Sie mich gemeinsam
durch Hypnose hierher gelockt haben, und zwar wegen dieser E-Mail. Das wäre
doch ein tolles Motiv für einen Film - oder eine Psychose -, finden Sie nicht?«
    »Sie haben Dr. Maroni erklärt, Sie seien sehr
bestürzt und fürchteten um Ihr Leben.«
    »Und dann bekam ich gegen meinen Willen Medikamente
verabreicht, während er sich prompt nach Italien verdrückt hat.«
    »Er hat dort eine Praxis und pendelt häufig hin und
her. Insbesondere um diese Jahreszeit.«
    »Am Dipartemento
di Scienze Psichiatriche an der
Universität von Rom. Außerdem besitzt er in Rom eine Villa und eine Wohnung in
Venedig. Er stammt aus einer sehr wohlhabenden Familie. Weiterhin ist er der
medizinische Leiter des Pavillons, sodass alle, einschließlich Sie, nach seiner
Pfeife tanzen

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