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Totenbuch

Totenbuch

Titel: Totenbuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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entschieden. Während er ihren Oberschenkel streichelt, denkt er an
Scarpetta und überlegt, was sie ihm wohl zu sagen hat. Sicher hat sie Dr. Selfs
E-Mails gelesen. Vielleicht merkt sie jetzt endlich, was er wert ist und dass
auch andere Frauen auf ihn stehen.
    »Komm, wir fahren zu dir«, sagt Shandy.
    »Warum sind wir eigentlich nie bei dir zu Hause?
Traust du dich nicht, dich mit mir blicken zu lassen? Könnte es sein, dass du
in einem Nobelviertel wohnst, wo ein Prolet wie ich nicht so richtig hinpasst?«
    »Ich habe noch nicht entschieden, ob ich dich
behalte. Ich habe nämlich etwas gegen Sklaverei«, erwidert sie. »Sie beutet
dich aus wie einen Sklaven, und mit Sklaven kenne ich mich aus. Mein Urgroßvater
war nämlich einer. Aber mein Daddy nicht, der ließ sich von niemandem etwas
sagen.«
    Marino hält seinen leeren Plastikbecher hoch und
lächelt Jess zu, die heute Abend in ihren engen Jeans und dem Stretchoberteil
richtig toll aussieht. Sie bringt ihm noch einen Maker's Mark mit Ginger-Ale,
stellt den Becher vor ihn hin und fragt dann: »Fährst du mit dem Motorrad nach
Hause?«
    »Alles in Butter.« Er zwinkert ihr zu.
    »Vielleicht übernachtest du besser auf dem
Campingplatz. Ich habe da noch einen Wohnwagen frei.« Im Wald hinter der Kneipe
stehen einige davon für Gäste, die nicht mehr fahrtüchtig sind.
    »Mir geht es gut.«
    »Noch einen.« Shandy hat die schlechte Angewohnheit,
Menschen anzuschnauzen, die sie als gesellschaftlich unterlegen betrachtet.
    »Ich warte immer noch darauf, dass du den
Motorradbau-Wettbewerb gewinnst.« Jess achtet nicht auf Shandy. Sie spricht
monoton und hat den Blick auf Marinos Lippen geheftet.
    Er hat eine Weile gebraucht, um sich daran zu
gewöhnen, und gelernt, Jess beim Reden anzuschauen, nicht zu schreien und die
Wörter nicht überzubetonen. Inzwischen nimmt er kaum noch wahr, dass sie taub
ist, und er fühlt sich ihr sehr nah, vielleicht weil sie einander ansehen
müssen, um sich verständigen zu können.
    »Eintausendzweihundertfünfzig Dollar in bar für den
ersten Platz«, verkündet Jess die astronomische Summe.
    »Ich wette, dass River Rats dieses Jahr absahnt«,
sagt Marino zu Jess. Er weiß, dass sie ihn nur aufziehen und vielleicht ein
bisschen mit ihm flirten will. Er hat nämlich noch nie an einem Motorrad
herumgeschraubt oder an einem Wettbewerb teilgenommen und auch nicht vor, das
zu tun.
    »Ich tippe auf Thunder Cycle«, mischt Shandy sich
auf die herablassende Art ein, die Marino so verabscheut. »Eddie Trotta ist
einfach Spitzenklasse. Den würde ich nicht von der Bettkante stoßen.«
    »Ich sag dir was«, meint Marino zu Jess, legt ihr
den Arm um die Taille und hebt den Kopf, damit sie seine Lippen im Auge hat.
»Eines Tages werde ich Geld haben wie Heu. Dann habe ich es nicht mehr nötig,
einen Wettbewerb zu gewinnen oder mich krumm zu schuften.«
    »Er sollte diesen schlecht bezahlten Scheißjob
hinschmeißen. Was will ich mit einem Typen, der so einen Hungerlohn verdient?«,
höhnt Shandy. »Er ist doch nichts weiter als ein Lakai der großen Chefin.
Außerdem braucht er doch gar nicht zu arbeiten. Er hat ja mich.«
    »Ach ja?« Marino weiß, dass er besser den Mund halten
sollte. Doch er ist betrunken und stinksauer. »Was, wenn ich dir erzählen
würde, dass ich ein Angebot von einem New Yorker Fernsehsender habe?«
    »Als was? Etwa als Werbefigur für Haarwuchsmittel?
Shandy lacht auf, während Jess versucht, dem Gespräch zu folgen.
    »Als Berater bei Dr. Seif. Sie hat mich gefragt.«
Obwohl es ratsam wäre, jetzt den Mund zu halten, kann er es sich einfach nicht
verkneifen.
    Shandy wirkt ehrlich
überrascht. »Du lügst«, stößt sie hervor. »Was sollte sie denn ausgerechnet von
einem wie dir wollen?«
    »Wir kennen uns von früher. Und jetzt möchte sie,
dass ich für sie arbeite. Ich habe lange darüber nachgedacht. Wenn ich dazu
nicht nach New York umziehen und dich verlassen müsste, Baby, hätte ich
wahrscheinlich sofort angenommen.« Er legt den Arm um sie.
    Sie macht sich los. »Tja, inzwischen sieht es ganz
danach aus, als würde aus ihrer Show eine Witzveranstaltung werden.«
    »Was der Gast da drüben trinkt, geht auf meine
Rechnung!«, ruft Marino plötzlich mit prahlerischer Großzügigkeit und weist mit
dem Kopf auf den Mann mit dem geflammten Biker-Kopftuch, der neben seinem Hund
am Tresen sitzt. »Offenbar ist heute nicht sein Tag. Er hat nur fünf lausige
Dollar in der Tasche.«
    Als der Mann sich umdreht, hat

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