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Totenbuch

Totenbuch

Titel: Totenbuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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Marino Gelegenheit,
sein mit Aknenarben übersätes Gesicht zu mustern. Seine Augen erinnern Marino
an die einer Schlange, seiner Erfahrung nach ein Hinweis darauf, dass der
Kopftuchmann irgendwann einmal gesessen haben muss.
    »Ich kann mein Bier selbst bezahlen, verdammt!«,
zischt der Kopftuchmann.
    Währenddessen redet Shandy weiterhin auf Jess ein.
Doch da sie sich nicht die Mühe macht, sie dabei anzusehen, könnte sie genauso
gut Selbstgespräche führen.
    »Ich glaube nicht, dass du viel Kohle dabeihast.
Hiermit entschuldige ich mich für meine Südstaaten-Gastfreundschaft«, sagt
Marino so laut, dass das ganze Lokal ihn hört.
    »Ich finde, du solltest nicht mehr fahren.« Jess
betrachtet erst Marino und dann sein Glas.
    »In seinem Leben ist nur Platz für eine Frau, und
eines Tages wird er schon noch dahinterkommen«, meint Shandy zu Jess und zu
allen, die sonst noch die Ohren spitzen. »Was hat er denn schon außer mir? Wer,
denkst du, hat ihm die teure Halskette geschenkt?«
    »Verpiss dich!«, brüllt der Kopftuchmann Marino an.
»Fick deine Mutter!«
    Jess geht auf ihn zu und verschränkt die Arme. »So
ein Gerede mögen wir hier nicht. Ich glaube, du gehst jetzt besser.«
    »Was?«, ruft er und hält sich lauschend die Hand
hinters Ohr, um sich über sie lustig zu machen.
    Marino schiebt seinen Stuhl zurück. Drei lange Schritte,
und er steht zwischen den beiden. »Du entschuldigst dich jetzt, Arschloch !«,
befiehlt er.
    Die Blicke des Mannes sind wie Nadelstiche. Er
knüllt den Fünfdollarschein zusammen, den er gerade aus dem Geldautomaten gezogen
hat, lässt ihn fallen und zertritt ihn mit dem Stiefel wie eine
Zigarettenkippe. Dann gibt er dem Hund einen Klaps aufs Hinterteil und steuert
auf die Tür zu. »Warum kommst du nicht mit raus wie ein Mann? Ich hab dir was
zu sagen«, wendet er sich an Marino.
    Marino folgt ihm und dem Hund auf den ungeteerten
Parkplatz zu einem alten Hobel - Vierganggetriebe, Kickstarter und ebenfalls
mit Flammendekor -, der vermutlich in den Siebzigern zusammengeschraubt wurde.
Das Nummernschild sieht irgendwie seltsam aus.
    »Pappe«, denkt Marino laut. »Selbst gebastelt. Wie
reizend! Und jetzt raus mit der Sprache!«
    »Warum ich heute hier bin? Ich habe eine Nachricht
für dich«, erwidert der Mann. »Sitz!«, schreit er den Hund an, der sich sofort
eingeschüchtert auf den Bauch legt.
    »Schreib mir doch das nächste Mal einen Brief. Das
ist billiger als eine Beerdigung.« Marino packt den Mann an der schmutzigen
Jeansjacke.
    »Wenn du mich nicht gleich loslässt, wirst du noch
dein blaues Wunder erleben. Ich soll dir nämlich was Wichtiges ausrichten.«
    Marino tut ihm den Gefallen. Er bemerkt, dass
inzwischen die gesamte Gästeschar des Saloons auf die Veranda hinausgetreten
ist, um sie zu beobachten. Der Hund verharrt reglos auf dem Boden.
    »Die Schlampe, für die du arbeitest, ist hier
unerwünscht. Also wäre es klug von ihr, wenn sie wieder dorthin geht, wo sie
herkommt«, sagt der Kopftuchmann. »Das ist nur ein guter Rat von jemandem, der
sonst ziemlich unangenehm werden kann.“
    » Wie hast du
sie gerade genannt?«
    »Die Schlampe hat tolle Titten, das muss man ihr
lassen.« Er formt die Hände zu Körbchen und fährt sich mit der Zunge über die
Lippen. »Wenn sie nicht aus der Stadt abhaut, werde ich sie mir mal aus der
Nähe anschauen.«
    Als Marino kräftig zutritt, kippt das Motorrad mit
einem Poltern um. Dann zieht er seine Glock Kaliber .40 aus dem Hosenbund und
zielt genau zwischen die Augen des Mannes.
    »Lass die Dummheiten«, stammelt der Mann, während
die Motorradrocker auf der Veranda wild durcheinanderschreien. »Wenn du mich
abknallst, kannst du dein Testament machen. Das weißt du ganz genau,
Arschloch!«
    »Hey!
Hey! Hey!«
    »Schluss jetzt!«
    »Pete!«
    Marino hat das Gefühl, dass seine Schädeldecke
gleich abhebt, als er den Punkt zwischen den Augen des Mannes fixiert. Dann
lässt er den Schlaghebel einrasten. Eine Patrone gleitet in die Kammer.
    »Wenn du schießt, bist du tot«, ruft der
Kopftuchmann, aber man merkt ihm seine Angst an.
    Inzwischen sind die anderen Gäste aufgesprungen und
johlen. Aus dem Augenwinkel sieht Marino, dass sich einige von ihnen bereits
auf den Parkplatz vorgewagt haben.
    »Verschwinde mit deinem Schrotthobel«, befiehlt
Marino. »Der Hund bleibt hier.«
    »Ich lasse meinen Hund nicht zurück, Arschloch!«
    »Doch. Du behandelst ihn wie Dreck. Und jetzt sieh
zu, dass du Land gewinnst, bevor ich dir ein

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