Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Totenhauch

Totenhauch

Titel: Totenhauch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Stevens
Vom Netzwerk:
hier am Tisch zu sein.«
    Was immer das heißt.
    »Da wir gerade von seltsamen Leuten reden«, meinte Temple. »Ist das da drüben nicht John Devlin?«
    Mein Lächeln erlosch, und ich drehte mich auf meinem Stuhl um und verrenkte mir den Hals. »Wo?«
    »Nicht so auffällig«, schalt mich Temple. »Da drüben. In der Ecke.«
    Er saß allein an einem Tisch ganz am Rand, an dem jeder andere Mensch in der Versenkung verschwunden wäre. Nicht so Devlin. Selbst quer durch das voll besetzte Restaurant war seine magnetische Anziehungskraft deutlich zu spüren.
    Mein Blick blieb nur ganz kurz an ihm hängen, dann drehte ich mich wieder zu Temple. »Woher kennst du Devlin? Nein, sag nichts. Du hattest in Emerson eine heiße Affäre mit ihm.« Das meinte ich nur halb im Scherz.
    »Ich hätte gern eine gehabt«, erwiderte sie mit einem wissenden Lächeln. »Wenn er in Emerson war, müssen wir uns in unterschiedlichen Kreisen bewegt haben. Ich habe den Namen nicht erkannt, als du ihn vorhin erwähnt hast, aber jetzt, wo ich sein Gesicht sehe, erinnere ich mich wieder an ihn. Wir sind uns vor ein paar Jahren hier ihn Charleston begegnet. Ich war hier, um ein paar menschliche Skelettreste zu untersuchen, die man auf einer Baustelle gefunden hatte, und Devlin und sein Partner haben die Ermittlungen geleitet. Damals war er noch jung und hatte gerade erst seinen Detective gemacht. Die älteren Cops haben sich über ihn lustig gemacht und gefrotzelt, dass sein erster Mordfall nur aus ein paar Zähnen und ein paar Wirbeln bestehen würde. Es war nur gutmütige Hänselei. Dann ist eine junge Frau aufgetaucht   – Devlins Ehefrau, wie ich später erfahren habe –, und die Stimmung hat sich verändert. Ich kann es nicht erklären. Es war, als hätte sie uns mit einem Zauber belegt. Wir waren alle wie gebannt von ihr, und sie hat unsere Aufmerksamkeit aufgesogen, wie ein Kätzchen Sahne aus einer Schüssel schleckt.«
    Erwartungsvoll beugte ich mich vor. Das war das Einzige, was ich tun konnte, um nicht nach hinten auf Devlin zu schielen. Wortlos drängte ich Temple weiterzusprechen, aber darüber hätte ich mir gar keine Sorgen zu machen brauchen. Schließlich war das Temple.
    »Devlin ging hin, um mit ihr zu reden   – ich habe keine Ahnung, woher sie überhaupt wusste, wo sie ihn finden konnte –, und während die beiden da standen, musste ich sie die ganze Zeit anstarren.« Temples Finger verhedderten sich in der Goldkette, die sie um den Hals trug. »Sie waren im wahrsten Sinne des Wortes das atemberaubendste Paar, das ich je gesehen habe. Und obwohl sie mitten in einem hitzigen Streit waren, hatte die Art, wie er sie anstarrte   … und wie ihre Körper zueinander hindrängten, etwas dermaßen Urtümliches und Gieriges, so als würde nichts   – weder Zeit noch Raum und noch nicht einmal der Tod   – sie jemals voneinander trennen können.«
    Mein Atem ging immer schneller, und ich spürte, dass ich errötete und wie die Hitze mir langsam den Nacken hinaufkroch. Ich kämpfte gegen die Versuchung an, verlor den Kampf und drehte mich um.
    Devlin starrte mir geradewegs ins Gesicht.

DREIZEHN
    »Sie hieß Mariama«, sagte Ethan mit leiser Stimme.
    Temple und ich sahen einander an. Dann hob sie kaum merklich die Brauen und wandte sich wieder Ethan zu. »Was für ein ungewöhnlicher Name. Und mir ist aufgefallen, dass du das Präteritum benutzt hast.«
    Er nickte, doch er ging nicht weiter darauf ein. »Mein Vater kannte ihre Familie, und er hat dafür gesorgt, dass sie in Emerson studieren konnte. Sehr gescheite junge Frau; es fiel ihr nur ungemein schwer, ihre persönlichen Glaubensvorstellungen mit der Wissenschaft zusammenzubringen.«
    »Was waren denn ihre persönlichen Glaubensvorstellungen?«, hakte Temple nach.
    »Das, was herauskommt, wenn man Aberglauben mit Religion vermixt. Ein Teil methodistisch-wesleyanischer Protestantismus, ein Teil Hexenkult, und das Ganze gewürzt mit einem Spritzer Voodoo. Ihre Vorfahren stammten von den Gullah ab«, sagte er. »Atlantische Kreolen.«
    »Das erklärt den umwerfenden Teint und ihre Haare«, murmelte Temple.
    Ich wusste ein wenig über die Geschichte der auf den Sea Islands lebenden Gullah und über die enge Verbindung, die während der Sklaverei zwischen ihnen und der Reisküste bestanden hatte, den Reisanbaugebieten in Westafrika. Bis vor ein paar Jahrzehnten lebten einige der Sekten von South Carolinaund Georgia immer noch so abgeschottet von der Gesellschaft, dass bestimmte

Weitere Kostenlose Bücher