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Totenhauch

Totenhauch

Titel: Totenhauch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Stevens
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bewegte.
    Nichts.
    Aber wenigstens war das Auto real, der Fahrer ein Wesen aus Fleisch und Blut.
    Ich kletterte auf den Rücksitz, schnappte mir die Kurbel für den Wagenheber, die ich vorhin benutzt hatte, und setzte michdann wieder hinter das Steuer. Wieder schaute ich in den Spiegel, fragte mich, ob ich vielleicht hingehen und um Hilfe bitten sollte.
    Ich wartete.
    Eine Ewigkeit verging, bis ich endlich einen schwachen Schimmer am Horizont erblickte, der sich nach und nach in zwei winzige Lichtpunkte verwandelte.
    Wer immer in dem Wagen hinter mir saß, musste die Scheinwerfer ebenfalls gesehen haben, denn ich hörte, wie der Motor angelassen wurde. Dann raste das Fahrzeug plötzlich so schnell auf dem Seitenstreifen heran, dass ich dachte, der Fahrer wollte mich rammen.
    Ich hielt den Atem an, wappnete mich gegen den Aufprall, doch im letzten Moment scherte der Wagen aus, schoss auf die Fahrbahn und an mir vorbei, und das alles, ohne die Scheinwerfer einzuschalten. Ich konnte nichts erkennen, nur irgendeine dunkle Farbe und das Stufenheck einer neueren Limousine.
    Als der andere Wagen näher kam, stieg ich aus und stellte mich fröstelnd an den Straßenrand. Da ich panische Angst hatte, der Fahrer würde nicht anhalten, stellte ich mich mitten auf den Highway, schrie aus vollem Hals und wedelte mit den Armen wie eine Wahnsinnige. Der Wagen verlangsamte seine Fahrt, hielt an, und eine Tür wurde geöffnet. Ich hörte das Knirschen von Schuhen auf Schotter und als Nächstes wundersamerweise meinen Namen.
    »Amelia?«
    Vor lauter Erleichterung wurden mir die Knie weich.

NEUNZEHN
    Devlin kam um den Wagen herum, und im gleichen Moment sah ich seine Geister. Dass sie bei ihm waren, überraschte mich nicht. Es war inzwischen fast dunkel, und wir waren mitten in der Pampa, meilenweit entfernt von geweihtem Boden.
    Rasend schnell schossen mir all die Dinge durch den Kopf, die ich seit unserer ersten Begegnung über ihn erfahren hatte. Er war tatsächlich einer von den Devlins und hatte sich mit seinem Großvater überworfen, weil er den falschen Beruf gewählt und eine unpassende Frau geheiratet hatte. Das verriet mir eine Menge über ihn, über den Mann, der er gewesen war, bevor Tragik und Trauer ihn in einen so reservierten und distanzierten Menschen verwandelt hatten.
    Es war seltsam, aber je mehr ich über ihn erfuhr, desto unnahbarer erschien er mir.
    Was vielleicht nur gut war. Zu viel war geschehen, seit er in mein Leben getreten war. Sein Geisterkind war in meinem Garten aufgetaucht, seine tote Ehefrau hatte mich auf dem Friedhof verspottet, der Totengeist des alten Mannes war zurückgekehrt, vielleicht um mich zu warnen, und eine Tür hatte sich geöffnet und eine kalte, furchterregende Präsenz entfesselt, die mich jetzt verfolgte.
    Gut war auch, dass ich mich selbst am Riemen gerissen hatte und nicht meinem ersten Impuls gefolgt war, als ich ihn gesehen hatte. Am liebsten hätte ich mich nämlich in seine Arme geworfen, wie ich es in Oak Grove getan hatte, aber seine Geister hielten mich davon ab. Schon während Devlin auf mich zuging, konnte ich ihre verzehrende Eiseskälte spüren.
    »Was ist passiert?« Mit zusammengekniffenen Augen blickte er mir ins Gesicht.
    »Reifenpanne. Was für ein Segen, dass Sie gerade jetzt vorbeikommen. Sie können sich gar nicht vorstellen, wie froh ich bin, Sie zu sehen.« Ich war stolz, dass in meiner Stimme genau das richtige Maß Erleichterung mitschwang und sonst nichts.
    Er sah sich um. »Was treiben Sie denn in dieser Einöde?«
    War das Misstrauen, was da in seiner Stimme mitschwang?
    »Ich bin hier rausgefahren, um mir einen Friedhof anzusehen.« Keine Lüge, obwohl ich ihn damit absichtlich eine Unwahrheit vermuten ließ. »Und warum sind Sie hier?«
    »Private Gründe.« Seine Stimme klang vollkommen ausdruckslos. »Haben Sie einen Ersatzreifen?«
    »Der ist schon drauf. Ich Glückspilz habe schon die zweite Reifenpanne. Ich muss irgendwo ein paar Nägel aufgeklaubt haben.«
    Vielleicht bildete ich es mir nur ein, aber seine Züge wirkten herber, die Ringe unter seinen Augen noch dunkler als sonst. Dann erinnerte ich mich an seinen Besuch auf dem Friedhof und an das Datum auf dem winzigen Grabstein.
    Ich schaute zur Seite, denn ich konnte es nicht ertragen, ihn anzusehen. Konnte es nicht ertragen, über Essies Prophezeiung nachzudenken. Es fiel mir schwer, mir ein Szenario vorzustellen, in dem ich jemals in der Lage sein würde, ihm über den Totengeist seiner

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