Totenklage
sie ins Haus. Darauf übernahm ein ranghoher Polizist das Mikrofon und erklärte, dass jeder, der ohne Erlaubnis Mrs. Bowes Grundstück oder eines der Nachbargrundstücke betrete, wegen Hausfriedensbruchs festgenommen würde. Dass sämtliche Übertragungswagen ein Risiko bei einem Notfall darstellten und die Straße verlassen müssten. Dass jeder, der nicht wegfahre, abgeschleppt würde und einen Strafzettel erhielt, und der müsse bezahlt werden, bevor die Fahrzeuge wieder freigegeben würden. Dass das Abschleppen eines gro ßen Wagens bis zu zweitausend Dollar koste. Er fügte hinzu, wenn der Abschleppwagen erst mal da sei, gebe es wie bei allen polizeilichen Abschleppaktionen keine Möglichkeit mehr, die Fahrzeuge noch wegzufahren. Wenn der Abschleppwagen da war, würden alle Übertragungswagen abgeschleppt.
Nach einigen hektischen Telefonaten per Handy begannen die Übertragungswagen allmählich fortzufahren. Eine Stunde nach dieser Erklärung stand ein Reporter der Washington Post allein auf dem Bürgersteig und trat von einem Fuß auf den anderen.
Nach einer weiteren Stunde war der Bürgersteig leer.
18
Darrell Goodman betrat das Büro des Gouverneurs, als zwei Frauen vom Küchenpersonal es gerade verließen. Die eine trug ein Tablett mit einem silbernen Kaffeeservice, die andere einen Korb mit Buttergebäck, die Überreste einer Haushaltsdebatte mit den Führern von Capitol und Senat. Darrell schnappte sich ein Stück Buttergebäck aus dem Korb und sagte zu seinem
Bruder: »Ein hoher Posten hat ja seine Vorteile. Kostenloses Gebäck zum Beispiel.«
Arlo Goodman gestikulierte hektisch in Richtung Tür. Darrell schloss sie, und Arlo streckte ihm fragend die Hände entgegen.
Darrell hielt einen Finger hoch und sagte: »Ich hab mit Patricia gesprochen. Die Watchmen haben diesen Monat regen Zulauf. Wir starten eine neue Ortsgruppe in Washington.«
»Das ist großartig«, sagte Arlo. »Inzwischen gibt es auch eine Ortsgruppe in Kalifornien, hab ich gerade im Internet gesehen.«
»Ja. Der Führer der Washingtoner Gruppe könnte zur gleichen Zeit wie du in Syrien gewesen sein …« Er redete ohne Unterbrechung weiter über die Mitgliedszahlen in Washington, während er ein gefaltetes Blatt Papier aus seiner Aktentasche zog und Arlo hinschob. Arlo nahm es und warf einen Blick darauf. Es war der Laserausdruck eines Briefs:
Es tut mir ja so leid. Ich habe nicht gewusst, auf was ich mich da einließ. Ich war einer der vier Leute, die geholfen haben, Lincoln Bowe fortzuschaffen. Die anderen drei sind Howard Barber, Donald S. Creasey and Roald M. Sands. Ich hatte geglaubt, es wäre ein ausgeklügelter politischer Streich gegen Arlo Goodman. Wir sollten wie Goodmans Schlägertypen aussehen. Ich wusste nicht, dass sie Linc erschießen wollten. Nun lese ich in der Zeitung, dass er noch am Leben war, als er getötet wurde. Ich weiß es nicht. Er sollte Selbstmord begehen und nicht erschossen werden. Ich weiß nicht, was man mit seinem Kopf gemacht hat. Howard Barber muss das wissen. Howard Barber hat das Ganze organisiert. Er ist dafür verantwortlich. Roald und Don wissen auch nichts. Und nun bricht alles zusammen. Es tut mir so leid, aber ich kann die Vorstellung, ins
Gefängnis zu kommen, nicht ertragen. Ich weiß, was mir dort blühen würde.
- Dan White
Arlo las es, und seine Augenbrauen schossen in die Höhe. Darrell beugte sich über den Schreibtisch und flüsterte seinem Bruder ins Ohr: »Nachdem er das geschrieben hat, hat er mit seiner eigenen Waffe Selbstmord begangen. Das Original hat er eigenhändig unterschrieben. Der Stift steckt in seiner Jackentasche. Bei der Polizei von Fairfax ist ein anonymer Anruf eingegangen. Clayton Bell hat ebenfalls einen anonymen Anruf erhalten, angeblich von einem Fairfax-Cop, und er ist jetzt dort. Bell ruft uns ganz bestimmt an. Er wird ein bisschen Hilfestellung haben wollen.«
Arlo nickte, drückte den Kopf seines Bruders nach unten und flüsterte zurück: »Sonst weiß niemand etwas?«
»George war bei mir – aber ich werd das regeln, nächste Woche.«
»Er darf auf keinen Fall etwas davon ahnen«, flüsterte Arlo. »Ich möchte nicht, dass er irgendwo einen Briefumschlag hinterlegt.«
»Das geht schon in Ordnung«, flüsterte Darrell. »Wenn ich ihn erledigt habe, sehe ich alles durch, was er bei sich hat, nur um ganz sicherzugehen. Aber da wird nichts sein. Wenn er eines ist, dann ist das loyal.«
Arlo atmete tief durch. »Ausgezeichnet.«
Lieutenant
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