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Totenklage

Titel: Totenklage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Sandford
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»Verzeihen Sie den Ausdruck.«
    Jake sagte lachend: »Bis später«, und ging hinein.
     
    Drinnen gab es eine Sicherheitskontrolle wie am Flughafen. Goines tauchte auf, als Jake gerade Röntgenapparat und Metalldetektoren passierte, offenkundig von den Watchmen benachrichtigt.
    »Mister Winter?« Jake nickte, und während er seinen Aktenkoffer und den Stock wieder an sich nahm, sagte Goines: »Hier entlang.«
    Goines wirkte verärgert. Er war ein kleiner blonder Mann mit Grübchenkinn, ein billiger Verschnitt seines Bosses, und machte ein verdrießliches Gesicht. Seine Augen erinnerten an ein Huhn, und wie ein Huhn legte er den Kopf zur Seite, um Jake anzusehen, während sie mehrere Etagen mit dem Aufzug hochfuhren. Er führte ihn durch ein Vorzimmer mit Sekretärin in sein Büro. »Ich hoffe, es ist wichtig«, sagte er und deutete auf einen Stuhl, während er hinter seinem Schreibtisch Platz nahm.
    »Es gibt Hinweise, dass die Watchmen etwas mit dem Verschwinden von Lincoln Bowe zu tun haben könnten«, sagte
Jake und schlug die Beine übereinander. »Der Präsident will, dass ich Bowe finde. Und zwar sofort.«
    »Was für Hinweise?«
    »Größtenteils Gerüchte«, antwortete Jake. »Den FBI-Ermittlern sind Andeutungen zu Ohren gekommen, dass die Watchmen darin verwickelt sind … oder dass zumindest viele Leute das glauben.«
    »Das ist ein Haufen Scheiße.« Goines stand wieder auf, ging, die Hände in den Hosentaschen, zum Fenster und blickte hinaus. Er hatte Aussicht auf ein extrem abweisendes Gebäude auf der anderen Straßenseite, das zu einem Krankenhaus gehörte. »Die Leute scheinen Schlange zu stehen, um uns fertigzumachen. Wenn sich herausstellt, dass irgendein Watchman damit zu tun hat, fliegt er raus, dann wollen wir nichts mehr mit ihm zu tun haben. Wir würden so etwas auf keinen Fall stillschweigend dulden.«
    »Kurz bevor er verschwand, hat Bowe den Gouverneur als Schwanzlutscher tituliert«, sagte Jake.
    Goines wurde bleich, und ein angstvolles Zucken huschte über sein Gesicht. Er gestikulierte drohend mit dem Zeigefinger, sprach aber mit ruhiger Stimme. »Das war unverzeihlich. Governor Goodman ist ein kultivierter Gentleman und war ein erfolgreicher Anwalt, bevor er in die Politik ging. Er versteht solche Leute wie Lincoln Bowe. Er würde Bowe zwar nie deswegen belangen, aber Sie können ihm doch nicht verdenken, dass er einen Mann nicht mag, der so vulgär daherredet. Er wird nicht begeistert sein von der Vorstellung, den Watchmen wegen Bowe auf den Zahn fühlen zu müssen.«
    Mein Gott, dachte Jake. So einen Eiertanz hab ich ja schon seit Jahren nicht mehr erlebt. Ob hier im Zimmer Wanzen sind?
    »Das kann ich absolut verstehen, und der Präsident ebenfalls«, erklärte Jake. Bürokratensprache. Die beherrschte er so
gut wie jeder andere, oder sogar noch besser. »Der Präsident hat gesagt: ›Ich habe absolutes Vertrauen zu Governor Goodman, aber das heißt ja nun nicht, dass es nicht irgendwo ein paar schwarze Schafe gibt.‹ Und das ist alles, worum ich bitte, dass Sie nach schwarzen Schafen Ausschau halten.«
    »Dazu kann Ihnen der Gouverneur etwas sagen. Aber Sie müssen doch gehört haben, dass einige von uns glauben, Bowe sei einfach in Urlaub gefahren.«
    »Dieser Möglichkeit gehen wir auch nach«, erwiderte Jake.
    »Okay.« Goines sah auf seine Uhr. »Noch eine Minute. Dann gehen wir zum Gouverneur.«

4
    Das Vorzimmer des Gouverneurs war ein großer, kühler Raum mit grauen Stoffsesseln und Mahagonitischen, der mit Weißkopfseeadlern dekoriert war – Tiergemälde von der Art, wie man sie auf Briefmarken findet, Adler mit ausgestreckten Klauen, die gerade auf einem verwitterten Ast landen wollen, oder welche, die über einen See fliegen, mit schneebedeckten Berggipfeln im Hintergrund. Ein zwei Meter hoher Bronzeadler schwang sich von einem Ständer in der Mitte des Raumes in die Höhe; eine bronzene Schriftrolle mit der amerikanischen Verfassung war um den Ständer drapiert.
    Eine ältere Sekretärin und eine blonde Praktikantin arbeiteten hinter einem Doppelschreibtisch. Die ältere Frau rief im Gouverneursbüro an, die Praktikantin lächelte Jake an und hörte gar nicht mehr auf zu lächeln.
    »Ich sage dem Gouverneur, dass Sie da sind«, erklärte die ältere Frau.

    Arlo Goodman war ein freundlicher Mann mit großen wei ßen Zähnen und blonden Haaren, die ihm zerzaust in die Stirn fielen, als wäre er gerade mit den Fingern hindurchgefahren. Er trug kein Jackett und hatte die

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