Totenklang
und zieht mich mit, »passen in mein Konzept. Wenn Sie mit Frau Engel gesprochen haben, wissen Sie, was ich meine. Es ist oft der erste Eindruck, der zählt. Wenn etwas klingt wie eine gute Komposition, kann es nicht falsch sein …«
Vor seinem Schmuckwerk bleiben wir stehen. »Wie gefällt Ihnen das?« Bevor ich etwas wie ›sehr schön‹ oder ›wunderbar‹ sagen kann, fährt er fort in seiner Rede.
»Der Verstorbene war ein begnadeter Konditor. Er liebte das Schöne, so wie ich. Deshalb ist die gesamte Dekoration auf sein Lebenswerk ausgerichtet. Weiße Orchideen erinnern an seine Sahnecremes, blassgelbe Rosen an seine Marzipanskulpturen, die orangefarbenen Lilien an seine Pralinés mit der feinen Cointreau-Note. Ja, es hätte ihm gefallen«, seufzt der Bestatter mit dem letzten Klang einer Piccoloflöte aus der Musikanlage und ich muss an Rudi denken. Die beiden würden sich jetzt und hier wunderbar verstehen.
»Am morgigen Sonntag wird die Abschiedsmesse gehalten. Das war sein Wunsch, denn am Sonntag hat er immer geruht. Montag dann wird er begraben. Sie sind doch flexibel?« Er wartet mein Nicken ab und bestimmt, dass ich gleich ein wenig sauber machen könne, sobald er fertig sei. In der Zwischenzeit könne ich mich umsehen. Besen und Wischmob fände ich in dem Raum mit der Küchenzeile. Ob ich so nett sei, die CD noch mal abspielen zu lassen, das Gerät sei in der Nische beim Durchgang nach draußen, genau der Weg, den ich hineingekommen wäre.
»Wie gestaltet sich die Entlohnung?«, möchte ich noch wissen.
»Oh, natürlich, sicher, entschuldigen Sie, dass ich nicht von selbst davon gesprochen habe. Das muss natürlich alles seine Ordnung haben. Geben Sie Ihre Unterlagen an Frau Engel, sie regelt das. Sieben Euro die Stunde. Damit fangen wir an. Einverstanden? Wenn Sie sich geschickt anstellen, kann es mehr werden. Nacht- und Wochenendzuschläge kann ich nicht zahlen … Ist doch sicher in Ordnung für Sie? Ja, ich sehe schon, wir verstehen uns«, murmelt er noch, ohne mich anzusehen, wobei er, in seine Arbeit vertieft, eine Lilie in eine spritzbeutelähnliche Vase steckt.
Ich finde die Musikanlage mit der CD-Hülle daneben, drücke auf Play und kurz drauf beginnt die Celtic Music erneut zu spielen. Klingt nach einer Ballade.
Juchhu, ich habe einen Job und gehöre fortan zum Bestattungsinstitut Sternenstaub, habe einen neuen Chef namens Brandt – wie das wohl klingt, wenn er im gleichen Atemzug Feuerbestattungen anbietet – und die Kollegin Engel werde ich auch noch kennen lernen. Jubeln in dieser Umgebung scheint mir dennoch unpassend. Immerhin liege ich mit den sieben Euro Stundenlohn genau dort, wo ich vor einigen Jahren in der City-Galerie als Sandwichman mit meinem Miet-mich-Schild gestanden habe. Auch das Betätigungsfeld, Reinigungen aller Art, ist mir nicht fremd. Das Putzgeschirr finde ich tatsächlich fein säuberlich aufgereiht in dem Raum mit der Küchenzeile. Die allerdings sieht übel aus. Das Waschbecken ist völlig versifft. Blumenreste kleben überall, verströmen einen fauligen Geruch und mittenmang dümpelt ein gebrauchter, voller Kaffeefilter auf dem Siphon. Eine ausgefranste Flaschenbürste mit rosa Stil, könnte farblich zu Rudis Wagen passen, hängt an einem rostigen Häkchen neben dem Boiler. An den Kunststoffborsten hängt gubbeliges Zeug, das wiederum anziehend auf kleine Fliegen wirkt. Solange der Meister in der Halle schmückt, kann ich mich hier schon mal nützlich machen. Ich fange mit der Spüle an.
In dem Unterschrank finde ich eine große Anzahl der verschiedensten Reinigungsmittel, sortiert nach ihrer biologisch abbaubaren Bedenklichkeit. Vorn der Frosch, inmitten Herr Proper, ganz hinten die Feuergefährlichen. Ich entscheide mich für ein klassisches Scheuermittel. Damit werde ich die Faulflecken im Becken sicher wegbekommen. Die Frauen in meinem Leben (waren nicht viele, aber genug) würden mich nicht wiedererkennen. Gelbe Gummihandschuhe an den Händen, auf der Stirn der Putzschweiß, im Kreuz der Bückschmerz.
Nachdem das Becken blitzt und blinkt, schaue ich mich nach Mülltüten um. In einem alten Holzschränkchen finde ich stattdessen Werkzeug. Ein Satz Feilen, ein Satz Bohrer, eine Eisensäge, Nägel, Schrauben, Hammer, Bohrmaschine und eine Stricknadel.
»Was machen Sie da? Lassen Sie das!«, werde ich angefahren. Erschrocken drehe ich mich um. Helfried Brandt trägt eine Sonnenbrille, wobei er mich an eine magere Miniaturausgabe von Heino
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