Totenklang
gründlich.
Sollte meinem Anruf ins Blaue etwa unerwarteter Erfolg beschieden sein?
Wenn ich Zeit hätte, könne ich gegen 18 Uhr auf dem Friedhof sein. Dort schmücke ihr Chef die Kapelle für eine Bestattung, sagt die freundliche weibliche Stimme am Ende der Leitung, am Ende des Lebens, ergänzen meine Gedanken. Wenn du jemanden zu Grabe zu tragen hast und wählst diese Nummer und eine warme, samtige Stimme empfängt dich, dann ist das ein kleiner Trost. Wenn ich mich nicht täusche, hat sie sich mit Engel gemeldet. Ich stelle mir eine ältere Dame vor, lebenserfahren, mütterlich, aber von der liebevollen Sorte, dabei sieht sie recht adrett aus, ein bisschen rund vielleicht, noch blühend, nicht welk.
Bis 18 Uhr habe ich zwei Stunden Zeit. Nicht mehr viel, wenn ich mich genauer in der spiegelnden Scheibe des Kühlschrankes mit den Kaltgetränken betrachte. Der Leichenwagen muss auch noch zu Ende gereinigt werden. Ganz zu schweigen von meiner Person.
Von mir sieht man nur noch Schuhsohlen, so beeile ich mich beim Absaugen der Polster, Wienern der Scheiben und Putzen der Ablagen. Den festmontierten Sarg hinten bekomme ich nicht ohne Schrauberklaus und dessen Werkzeug ab. Die integrierte Minibar im königsblauen, mit Samt ausgeschlagenen Sarginneren und deren geistreicher Inhalt landet in mehreren Kartons. Sekt, Wein, Cognac, Pernot, kann sich Schrauberklaus bedienen, Kräuterliköre, Obstler, sogar einen offensichtlich selbst eingelegten klebrigen Rumtopf hält der schwarz lackierte Sarg bereit. Im Deckel befinden sich kleine Taschen und Riemchen, die wahrscheinlich die Gläser gehalten haben.
Hinten kann ich den Wagen nur oberflächlich säubern. Der Sarg müsste unbedingt raus, um überall mit Sauger, Lappen und Chemie hinzukommen, und das wäre bitter nötig, denn irgendwas verströmt hier einen sehr eigenartigen Geruch, den selbst die überall über einen Zeitraum von mehreren Jahren aufgehängten Lavendelsäckchen nicht zu tilgen vermögen. Raus mit dem muffigen Zeug. Statt mit einem Duftbaum eine weitere eigenartige Note im Interieur zu fixieren, werde ich den Wagen kräftig durchlüften. Vielleicht hilft das schon ein wenig. Es sieht nicht nach Regen aus, daher lasse ich alle Türen offen stehen.
13
Während ich unter der Dusche gestanden habe, muss Rudi von meinem Bestattungstermin erfahren haben. Er nötigt mir den Leichenwagen auf, für den er sich einen liebevollen Namen ausgedacht hat. Er nennt ihn James und sein Plan sieht vor, das Auto hollywoodgerecht auszustaffieren, ganz so, als seien seine Filmidole James Dean und Marilyn Monroe darin zur letzten Ruhestätte gecruist worden. Einen blubbernden Zwölf-Zylinder werde er auch noch einbauen, sobald er eines solchen Motors habhaft werde, eine Dolby-Surround-Anlage werde er installieren, die die Filmmusik der alten Klassiker abspiele. Ach, was heiße hier Musik, nicht genug damit. Ganze Filme könne man über einen Beamer anschauen, sogar Clips aus dem Leben des Verstorbenen. Die Frage, wer das da hinten hören und sehen möchte, erspare ich mir. Rudi erstaunt mich jedenfalls mit seiner plötzlichen Kreativität. Ist er doch sonst eher der nüchterne Typ, scheint er dennoch über ein großes Repertoire morbider Fantasien zu verfügen. Bei James dürfe man sogar rauchen und trinken. Ganze Trauerfeiern könne man in ihm abhalten und in der Mitte der Ehrengast. Ob klassisch im Sarg, verbrannt in der Urne oder gar plastiniert. Für jeden Geschmack könne er James präparieren und dem letzten Weg und Willen der Kunden eine persönliche Note verpassen. Für eine modernere, individuelle Trauerkultur seien die sterbenden Altachtundsechziger bestimmt offen. Ich solle doch schon mal vorfühlen, man hätte mich doch zum Werbemann umgeschult, mir würden bestimmt die richtigen Worte einfallen. Ich hätte ein Tonbandgerät mitlaufen lassen sollen bei der begeisterten Rede, die Rudi zu Susannes und meiner Überraschung geschwungen hat. Mir ist, als leuchte Rudis Aura in den Farben des Sonnenuntergangs und er habe seine wahre Bestimmung gefunden.
»Ja, genau so wird’s gemacht!«, sagt er, sackt unmerklich ein Stück zusammen und schimpft mit Blick hinter die Theke über uns hinweg:
»Das Tabak-Regal ist ja immer noch nicht aufgefüllt!« Zeit für meinen Abgang.
Ich werde ihm den Gefallen tun und mit James, der nach Marilyn aussieht, unignorierbar rosa lackiert, zum Bestatter aufbrechen und den Wagen so weit weg wie möglich parken, so mein
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