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Totenklang

Totenklang

Titel: Totenklang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sinje Beck
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Ach, du ahnst es nicht, bloß weg hier, ruft Kalle aus und ich springe auf, um mich schnellstmöglich zu entfernen, denn der Kellermetzger wird sicher gleich um die Ecke kommen, um zu sehen, wer seine Zeremonie stört. Ich stolpere mehr, als dass ich laufe, die schmalen, dunklen Stufen hinauf. Just als ich denke, es käme kein Tritt mehr, lande ich bäuchlings auf dem Pflaster, wobei sich mein Zopf in einem Rhododendron verfängt, was ein Aufstöhnen meinerseits nicht verhindert. Es grenzte an ein Wunder, wenn dieser ganze Trouble von Franky ungehört vonstatten gegangen wäre. Wie das so ist mit Wundern in der heutigen Zeit, sie geschehen selten, sehr selten und mir spürbar gar nicht. Kaum dass ich auf allen Vieren stehe, werde ich mit Wucht am Zopf gepackt und hochgezerrt. Zeitgleich fühle ich die Spitze einer Klinge in meiner Nierengegend.
    »Klappe halten!«, zischelt ein heißer Atem in mein Ohr. Der Mann zu dem Atem hat Stress, das ist deutlich säuerlich zu riechen. Kalle, der zu viele Kung-Fu-Filme gesehen hat, überlegt sich ein tollkühnes Manöver, irgendwie herauswinden, meint er, und den Angreifer über die Schulter die Treppe hinunterwerfen. Allein die Frage: Wie? Das Messer in meinem Rücken beschneidet weitere Überlegungen in dieser Richtung.
    Franky schubst mich vor sich her die Treppe herunter und ich strauchle. Da er meinen Zopf fest umklammert hält, stürzen wir nicht die letzten Stufen hinab. Die Klinge in meinem Rücken scheint sich bis auf meinen Pelz vorgearbeitet zu haben. Mir ist, als rinne Blut bis in die Ritze. Verdammte Scheiße, jammert Kalle, und der Advokat bemerkt mit seiner üblichen Arroganz, dass er gleich gesagt habe, ich solle die Polizei alarmieren. Franky öffnet die Haustür, wobei er kurz meinen Zopf loslassen muss. An Flucht ist trotzdem nicht zu denken. Er schiebt mich durch die Tür in einen spärlich erleuchteten Flur. Unser Hereinkommen bleibt nicht ungehört.
    »Franky, alles klar?«, ruft Felicitas.
    »Ja, Süße, ich bringe nur noch eben den Müll weg.« Das Wort ›Müll‹ drückt er heraus wie eine Schrottpresse den Blechwürfel, der einmal jemandes ganzer Stolz war.
    Schnell bugsiert er mich durch eine kleine Diele, in der ein Salzkristall ein warmes Licht verbreitet, dann geht es durch einen zweiten kleinen Flur, der durch eine weitere Tür vom Rest der Wohnung getrennt ist. Jetzt stehen wir vor der Kellertür. Als auch diese hinter uns zufällt, erkenne ich, dass sie schallisoliert ist. Mein erster Blick fällt auf den nackten toten Hanf, der kopfüber an die Leiter geknüpft ist. Sein verfilzter Schopf steckt in einer lila Wanne, die voll ist von seinem eigenen Blut. Mir wird schlecht. Gepresst atme ich gegen die aufsteigende Übelkeit an, mein Kreislauf revoltiert, in meinen Händen fängt es zu kribbeln an. Wo kommen bloß all die Ameisen her, die sich meiner bemächtigen? Mit einem Schwung stößt Franky mich in die Ecke des Raumes. Unsanft knalle ich gegen die harten Rippen eines Heizkörpers und sacke davor zusammen. Als ich aufsehe, erkenne ich in seiner Hand ein blutiges Skalpell. Mit dem Teil wird er Hanfs Halsschlagader aufgeschlitzt und mir einen veritablen Ritz in den Rücken verpasst haben. Das Blut von dort arbeitet sich durch den Spalt zwischen meinen Pobacken und scheint dort zu gerinnen. Vielleicht geht mir aber auch nur der Arsch auf Grundeis. Ach, du ahnst es nicht, murmelt diesmal der Advokat und die drei Buchstaben HIV leuchten hinter seiner Stirn auf. Na, das ist jetzt meine geringste Sorge. Das Hocken in der kalten Ecke vertreibt die Ameisen aus meinen Ärmeln, das taube Gefühl in den Händen fällt von ihnen ab. Ich versuche mich im autogenen Atmen, doch selbst die miefigste Knabenumkleide der ältesten und sanierungsbedürftigsten Turnhalle eines kleinen Dörfchens kann mit dem hier aufsteigenden Ekelfaktor nicht mithalten. Wenn die verfügbaren drei Duftrezeptoren besetzt sind, könne man kein weiteres Aroma mehr aufnehmen. Ich rieche Tod und Schweiß und wenn gleich mein Mageninhalt hinzukommt, müsste sich die Nase geschlagen geben.
     
    »Du musst Himmel sein! Willkommen! Was treibst du hier in der Hölle, du Idiot?« Mir ist klar, dass der Schlachter von mir keine Antwort erwartet. Er greift in den Haufen Wäsche, den er Hanf ausgezogen hat, fischt eine Wollsocke heraus und stopft sie mir in den Mund, dann zurrt er einen Gürtel um meinen Kopf fest. Gegenwehr ist zwecklos, da er im Besitz des Skalpells ist, das er während

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