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Totenklang

Totenklang

Titel: Totenklang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sinje Beck
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seines hektischen Hantierens nicht aus der Hand legt. Immerhin grenzt es an ein kleines Wunder, dass er mir nicht jetzt schon ein Auge ausgestochen hat. Mit Blitzbindern befestigt er meine Handgelenke sicher am Heizungsrohr. Die Ameisen formieren sich neu. Die Füße werden mit Klebeband zusammengebunden.
    »Keinen Laut, denn das lohnt sich nicht, siehst du?« Dabei reißt er mir den Kopf hoch, sodass ich genau auf den blutleeren Hanf starren muss.
    »Das Schicksal ist gnädig zu mir, weißt du? – Wenn das jetzt mit Barachiel nicht klappt, habe ich mit dir eine zweite Chance.«
    Barachiel, der Helfer, fällt mir der Job des Erzengels ein und gleich darauf die Frage, wie viele von den Sieben schon ihr Ende durch Franky gefunden haben mögen. Kalter Schweiß sammelt sich in den Querfalten meiner Stirn. Der Geruch im Keller ist kaum zu ertragen – schlimmer als in der hintersten Ecke eines Schlachthofes, wo Kadaverreste und Innereien einen blaugrünen Schimmer ansetzen, während sie auf die Weiterverarbeitung zu Tiernahrung warten.
    »Schau also hin, du neugieriges altes Weib!« Er springt mit dem Operationsbesteck auf, geht zu einem gegenüberliegenden Regal und stellt Musik an. Mystische Klänge, ebensolche, wie ich sie bereits bei Brandt gehört habe, wenn der sich an die Arbeit macht. Ob die zwei unter einer Decke stecken? Frag dich lieber, ob du das jemals herausfinden wirst, kommentiert der Advokat bissig. Kalle, guck lieber weg, das ist nichts für Kinder. Der Schweiß rinnt mir jetzt in die Augen und ich muss sie zukneifen. Aus schmalen Schlitzen beobachte ich, wie sich Franky vor dem Leichnam aufbaut, dabei das Skalpell unruhig in seiner Rechten bewegt. Er zappelt damit zwischen seinen Fingern umher wie ein Absolvent des VHS-Kurses ›Richtig essen mit Stäbchen‹ am Ende der Veranstaltung. Entweder, er ist in einer derartigen Erregung, oder er weiß nicht so genau, wie er anstellen soll, was er umsetzen will. Jetzt scheint er sich entschlossen zu haben. Mit vollkommen ruhiger Hand verpasst er Hanf einen langen Schnitt vom Knie abwärts, bis fast zur Leiste. Das gleiche wiederholt er mit dem anderen Bein. Der nächste Schnitt verläuft oberhalb der Scham, mit einem weiteren durchtrennt er die Brusthaut bis zum Hals. Als nächstes verpasst er den Armen bis zu den Ellenbogen einen langen Schnitt. Mit weiteren Schwüngen des Skalpells hat er Hanfs Torso rundherum ausgeschnitten, sodass …
    Ich glaub, ich muss kotzen. Nein, ich glaube es nicht nur. Ich muss kotzen, was mit einer Wollsocke im Schlund definitiv unmöglich ist. Sollte es mir ergehen wie Jimmy Hendrix?
    »Ich habe doch Klappe halten gesagt!«, schnauzt Franky mich an. Meine Würgegeräusche haben ihn aus dem Konzept gebracht. Sein Blick auf mich verrät, dass er ahnt, was da in mir vorgeht, vielmehr in mir aufsteigt. Er dreht erst die Musik lauter, löst dann den Gürtel und nimmt mir den Knebel aus dem Mund.
    »Das könnte dir so passen, einfach abkratzen. Nein, so läuft das nicht. Ich bin der Spielleiter, ich sage, wann gestorben wird.«
    Und ich kann es nicht mehr halten. In der Eile hatte Franky keinen geeigneten Auffangbehälter zur Hand und greift wahllos einen der Eimer, die an der Wand aufgereiht stehen und drückt meinen Kopf hinein. Aus tränenden Augen erkenne ich schemenhaft abgetrennte Knochen, sogar schwarze Zehen sind dabei – oh, mein Gott, das werden die Reste des verschwundenen Raucherbeines sein, die jetzt von meinem Halbverdauten umspült werden. Ich kotze mir fast die Seele aus dem Leib. Als ich unterbreche, um den Kopf zu heben und Luft zu holen, presst Franky ihn weiter in den stinkenden Eimer. Ich wünsche mir Besinnungslosigkeit und lasse ganz locker. Vielleicht denkt er dann daran, loszulassen, da er ja nicht will, dass ich jetzt schon den Löffel abgebe. Er reißt mir den Kopf wieder hoch, schlägt mir mit der flachen Hand ins Gesicht, um zu sehen, ob ich mich noch rühre. Die Ohrfeige lässt mich den Mund verziehen.
    »So ist es brav«, bemerkt er nur und scheppernd landet der Eimer neben mir.
    Anschließend kriege ich den Socken wieder in den Mund, doch auf den Gürtel will er verzichten, falls es mich noch mal überkommt. An der Positionierung der Strickware scheint Franky einen Narren gefressen zu haben, denn rein theoretisch könnte er ohne Halterung darauf verzichten. Praktisch werde ich darüber jetzt keine Diskussion beginnen.
    Was mich von meinem Mageninhalt getrennt hat, war das Enthäuten Hanfs. Mit sicheren

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