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Totenklang

Totenklang

Titel: Totenklang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sinje Beck
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Friedhofsgärtners ist nichts zu sehen. Die Blutwanne ist weg. Der Eimer, in den ich auf teerschwarze Zehen gekübelt habe, auch. Franky war fleißig. Die Erinnerungen ziehen vorbei, wie ein Film, den man gesehen, aber nicht verstanden hat, sie bilden eine parallele Welt ab, mit der man nichts zu schaffen hat. Ein Blick des kleinen Kindes durchs Schlüsselloch des elterlichen Schlafzimmers und die Frage: Was machen die da? Und die Antwort: Ist ja eklig. Schnell wieder ins Bett, das Kuscheltier an sich gedrückt, einschlafen und das Gesehene vergessen. Wäre ich ein Kleinkind. Dass ich das Erlebte nicht vergessen werde, dafür sorgt die Drohung des Spielleiters, der sich für Herr über Leben und Tod hält. Er würde sagen, wann gestorben wird. Bleibt zu hoffen, dass sein Plan mit Barachiel aufgegangen ist und er mit mir als zweite Chance nicht zu arbeiten braucht.
     
    Was zur Hölle will er nur anfangen mit der Haut des Mannes? Mein Blick stellt sich nur langsam immer schärfer, nach und nach lassen die Pupillen Licht ins Dunkel meiner grauen Zellen, im gleichen Maße scheint sich der Kellerraum zu erhellen. Das dumpfe Dröhnen zwischen meinen Ohren wird von Vogelgezwitscher unterbrochen. Es ist Morgen. Donars Tag.
    Jetzt rieche ich Chlorreiniger und sehe einen Holzreifen auf dem Boden unter dem Regal liegen. Ein Tamburin ohne Bespannung. Wie der Chlor durch meine Nase strömt, sickert die Erkenntnis in mein Bewusstsein. Auf Hanfs Rücken soll getrommelt werden. Die Knochenflöte in meiner Tasche … bizarre Vorstellungen wollen sich in den Falten meines Stirnlappens einnisten. Womit will er die Trommeln schlagen? Mit Raucherbeinen? Der Unterschenkel als Stick. Ich wackle vorsichtig mit den Zehen, bewege meine unteren Extremitäten. Fühlt sich alles noch lebhaft an. Knöchelchen zu Rasseln. Becken zu Becken. Schädel zu Perkussion, wenn sie nicht zu Aschenbechern werden. Ich schüttle mir die Absurditäten aus dem Kopf, dabei wird mir schwindelig. Wenn der Magen nicht leer wäre, würde dessen Inhalt sich erheben. Ich betrachte meinen Körper unter einem ganz neuen Gesichtspunkt, dem der Zweitverwertung.
    Alles solle so authentisch wie möglich sein, hallt ein Satz in mir nach und das Gefüge vom musikalischen Menschen erhält eine neue Bedeutung.
     
    Mir fallen die alten Geschichten ein, die ich während meiner Umschulung vom Druckerei-Fachlehrer hörte, als es um das Buchbinden ging. Menschenhaut wurde hin und wieder verwandt, sie sei von einer wunderbaren Farbe und feineren Poren, wenn sie vom Dekolleté einer Frau stamme statt von Schwein oder Ziege. Bruchstückhaft fallen mir weitere Beispiele ein. Keine Ahnung, aus welchen Hirnschächtelchen sie purzeln. Eine Trommel mit Ohren dran, Türken, Sieben Sack voll Ohren, Französische Kolonialisten mit Tabaksbeuteln aus Frauenbrüsten. Was mir an Fragmenten tief unterhalb der Haarwurzeln herumfliegt, muss in einer der Matroschkas verborgen gelegen haben, aus gutem Grund. Dieses Russenpuppengefühl von vor einigen Tagen stellt sich in mir wieder ein. Doch diesmal ist klar, dass ich nicht derjenige bin, der sie auspackt, ich werde gepackt. Geparkt wohl eher, näselt der Advokat, um mich auf meine Lage hinzuweisen.
    Ich muss pinkeln. Die Blitzbinder um meine Handgelenke haben sich bereits unangenehm tief ins Fleisch gegraben, wie rot-blaue Armbänder. Vorsichtig versuche ich, meine Hände zu bewegen und kann einen Schmerzlaut nicht unterdrücken. Kurz darauf höre ich den Splitt vor dem Kellerfenster knirschen und dann jemanden die Treppenstufen hinaufgehen. Ich wünsche, dass es Felicitas ist.
    »Bis heute Mittag!«, höre ich sie rufen.
    »Ich hole dich ab!«, höre ich ihn rufen.
    Ihr wird auffallen müssen, dass mein Wagen noch oben im Wendehammer parkt, gesetzt den Fall, dass sie diesen Weg wählt und nicht durch den Wald zur Haltestelle in Achenbach geht.
    Im Schloss der Kellertür bewegt sich was und kurz darauf steht Franky vor mir.
    Er hat das Skalpell wieder im Anschlag und löst meine Fesseln.
    »Geh dich mal frisch machen, du stinkst«, sagt er nur, zieht mich auf die Beine, die fast unter meinem Gewicht nachzugeben drohen. Ich stütze mich auf der Heizung ab. Scheiße, tun die Gelenke weh!
    »Brauchst gar nicht fragen, was ich mit dir vorhabe. Wart’s ab«, packt er mich wieder im Genick und schubst mich vor sich her durch den Flur, die Diele bis ins Bad. Dort bezieht er vor der offenen Tür Posten.
     
    Im Bad riecht es nach Felicitas. Sie hat geduscht

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