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Totenklang

Totenklang

Titel: Totenklang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sinje Beck
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und sich mit dem blumigen Duft besprengt. Alles wird gut, will mir mein olfaktorischer Sinn vorgaukeln.
    Ich gehe auf die Toilette und lasse anschließend kaltes Wasser über meine Arme und Hände fließen, klatsche mir das kühle Nass ins Gesicht und fühle mich ein wenig besser.
    »Ausziehen und ab unter die Dusche!«, befiehlt Franky. »Deine Klamotten stinken wie Aas – das geht so nicht, das passt nicht.«
    »Ich fühle mich ganz wohl so«, probe ich den Widerstand.
    Daraufhin fliegt die Tür des Badezimmers zu und von außen wird abgeschlossen. Leider gibt es kein Fenster hier. So ein Mist, knurrt Kalle, hättest ja vorher mal gucken können, wohin das Wehren führt. Ich nutze den unbeobachteten Moment, um nach Rasiermessern zu suchen. Leider vergebens. Doch finde ich eine kleine Feile und eine gebogene Nagelschere. Wo soll ich das Zeug verschwinden lassen, wenn Franky darauf besteht, dass ich mich von meiner Kleidung trenne? Die Feile könnte ich mir in die Haare stecken, irgendwie unter das Zopfband klemmen, die Schere vielleicht auch, beschließe ich und lasse die Gegenstände hinter einer Flasche Shampoo in der Duschwannenecke verschwinden. Als die Tür aufschwingt, steht da nicht mehr Franky mit einem Skalpell, nein, er hat aufgerüstet und in seiner Hand glänzt eine kleine elfenbeinfarbene Pistole mit einem kurzen silbernen Lauf.
    »Überredet«, sage ich nur, entkleide mich und drehe den Duschhahn auf.
    Ich werde den Moment in der Kabine unterm Wasserstrahl so lange auskosten, bis ich das Gefühl habe, dass sich ausreichend verbliebene Überlebenskräfte gesammelt haben, um so viel wie möglich vom Ende der Geschichte selbst beeinflussen zu können. Meine internen Berater ziehen in Erwägung, dass ich zu kämpfen oder gleich auszurasten beginne, und befürchten die Folgen. Hey, flüstert Kalle, der Kerl ist größer als du, hat sicher sehr gut geschlafen und gefrühstückt und hat eine Waffe. Der Advokat schaltet sich dazu und rät zur Mäßigung. Bloß keine Kurzschlusshandlungen. Wenn Franky sagt, so würdest du nicht passen, in welches Konzept auch immer, dann hat er mit dir noch einen Plan. Wäre doch zu gut, den zu kennen. Besonnenheit wäre geboten, sagt der Denker mit Kalkül. Der hat gut reden. Um seine Haut geht es erst in zweiter Linie. Kurz flammt das Gefühl von Panik in mir auf.
    »Genug jetzt!«, werde ich angeherrscht. Franky ist zurück. Er wird meine Sachen entsorgt haben, mit all den Beweisen in der Hosentasche. Vielleicht liegen sie neben Hanfs Rad.
    Er wirft mir ein Handtuch über die Duschtür. Jetzt kommt es darauf an, die Maniküre-Werkzeuge geschickt unterzubringen. Hoffentlich reißt er mich nicht wieder am Zopf. Im trockenen Haar ließen sich die Dinge besser verstecken. Ich muss das Risiko, dass sie entdeckt werden könnten, eingehen und fummle die Kleinigkeiten unter meine Matte, wickle unter stechenden Schmerzen der Handgelenke das Gummi darum und lasse ein Stoßgebet zum Himmel.
     
    »Kleine Änderung im Spielplan – hier, zieh das an!«, befiehlt Franky und reicht mir ein Gewand. Ach, du heiliger Strohsack, entfährt es Kalle. Eine Art Mönchskutte hält er mir hin. Sie ist lila. Leicht violett, korrigiert der Advokat fürs Protokoll.
    »Ha, genial! Diese kleine Änderung wird das Spiel perfekt machen, wenn ich es mir recht überlege. Ich Idiot! Warum bin ich nicht gleich selbst darauf gekommen? Manchmal braucht man einen kleinen Schubs von Fortuna.« Bei diesen Worten strahlt er, als habe ihn die Glücksgöttin in Person des Augustmädchens wahrhaftig geküsst. Beim Blick auf meine Blöße legt sich jedoch schnell wieder Schatten über sein Gesicht.
    »Hast du die Gewandung immer noch nicht an? Meine Herrn, du brauchst ja länger als ein Weib«, spricht er seinen Monolog, während ich herausfinden musste, wo bei der Kutte vorn und hinten ist. Mit einer Art Kordel binde ich mir den Stoff um die Hüften zusammen. Ich komme mir vor wie einer der drei heiligen Könige im weihnachtlichen Krippenspiel der dritten Klasse, wobei mich die Jungs aus der gegnerischen Bande auslachen, da meine Verkleidung aus der alten, verschossenen Wohnzimmergardine besteht, die meine Mutter zu dem Zwecke in ein Kostüm verwandelt hat.
    »Mit den Haaren müssen wir noch was machen. Gut, dass ich sie dir gelassen habe, aber so geht das nicht«, tritt Franky auf mich zu und will sich an meinem Kopf zu schaffen machen. Das Schellen der Klingel rettet mir den Zopf. Franky schließt mich erneut ein

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