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Totenkult

Totenkult

Titel: Totenkult Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Eberl
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zu malträtieren, und starrte Henri an. Offensichtlich erstaunte sie so viel Unwissenheit.
    »Gelesen.« Bosch nahm sich einen Teller und legte ein größeres Stück Baklava darauf. Nach den ersten Bildverkäufen hatte er sich ein wenig über verschiedene Anlageformen informiert. Doch was er über Immobilienfonds gehört hatte, war wenig vertrauenerweckend. Seiner Meinung nach konnte das nicht funktionieren. Zumindest nicht für den Anleger.
    »Madame, erklären Sie einem staubigen Gelehrten, wie dieser Finanzhandel funktioniert.«
    »Handel mit Immobilienfonds«, berichtigte ihn Frau Aschenbach. Sie stellte ihren Teller auf den Tisch, ohne gekostet zu haben. »Wir sind auf exklusive Hotelprojekte mit Immofonds spezialisiert. An dem Gelände ist der Anleger beteiligt, das heißt, es ist immer eine grundbücherliche Sicherheit vorhanden. Der Ertrag ergibt sich aus der Miete und natürlich aus der Wertsteigerung der Immobilie. Wir nennen das die Performance.« Sie schenkte Henri ein strahlendes Lächeln. »Ab dem Gegenwert eines Mittelklassewagens sind Sie dabei.«
    Bosch schob ein Stück Baklava in den Mund. Natürlich erwähnte die Aschenbach nicht, dass solche Immobilien die meiste Zeit des Jahres leer standen, daher keine Miete hereinkam und sie durch das lange Leerstehen kaum im Wert stiegen. Im Gegenteil. Wollte Henri sich etwa an so einem Modell beteiligen?
    »Interessant.« Henri griff zu seinem Teeglas. »Und wo liegt der Profit für Ihren Mann?«
    »Also, es fallen natürlich ein paar Provisionen beim Verkauf an und ein paar Gebühren.« Sie lachte. »Wir arbeiten ja nicht umsonst. Schließlich entwickeln wir die Projekte.« Sie ließ ihren Blick über den Wolfgangsee schweifen. »Der Ausblick ist wirklich phantastisch. Haben Sie schon mal daran gedacht, zu verkaufen?«
    Henri trank seinen Tee aus und stellte das Glas so fest ab, dass Bosch Angst hatte, es würde zerbrechen. »Nie.«
    »Sie würden einen guten Preis erzielen.« Sie schaute die Schlossfassade hinauf. »Wie viele Zimmer gibt es denn?«
    »Soll das ein Angebot sein?« Henri lachte. »Nein, vielen Dank, Madame. Ich verlasse mein Haus nicht.« Er zwinkerte ihr zu. »Es sei denn, Sie tragen mich mit den Füßen voran hinaus.«
    Frau Aschenbach drohte ihm mit dem Zeigefinger. »Damit macht man keine Scherze. Aber wir sind auch sehr glücklich in unserem Seehaus.« Ihr Blick schweifte ab. »Ich hoffe, mein Mann kann sich in St.   Gilgen ein wenig erholen.«
    »Erholen, Madame?« Henri spielte mit seiner Armbanduhr.
    »Ja, er …«, sie schluckte, »er hat in letzter Zeit Herzprobleme. Irgendwann wird der Stress mal zu viel. Aber jetzt haben wir ja auch einen Garten.« Über ihr Gesicht huschte ein Lächeln. »Wir wollen nämlich endlich Kinder.«
    »Wie schön.« Henri kratzte sich hinter dem Ohr.
    »Haben Sie Kinder?«
    »Nein, Madame, leider nicht.« Henri warf einen demonstrativen Blick auf seine Uhr. »Vielleicht sollten wir jetzt …«
    »Aber jede Menge Nichten und Neffen, oder?« Frau Aschenbach faltete die Hände im Schoß. »So alte Adelsfamilien vermehren sich doch wie die … Ich meine, sie sind doch in der Regel recht zahlreich?« Sie errötete nicht einmal bei dieser Frechheit.
    Henri starrte die Frau mit seinen Froschaugen an. Dann räusperte er sich. »Ich bin der Letzte in der direkten Linie der Mortins.« Offenbar hatte er erkannt, dass er diese Blutsaugerin umso schneller loswurde, je offener er antwortete. »Mein Vater war ein Einzelkind, meine Eltern sind früh verstorben, und so habe auch ich keine Geschwister. Und mir selbst hat immer die Zeit für eine Familiengründung gefehlt.« Er beugte sich zu ihr vor und raunte: »Sie sehen, wir sind nicht nur eine uralte Familie, die auf einem Schloss lebt, wir sind auch im Aussterben begriffen. Vielleicht lastet sogar ein Fluch auf uns, wer weiß?« In seinen Amphibienaugen lag ein kalter Glanz. »Was sagen Sie nun, Madame?«
    »Ach … wie interessant.« Ihre Stimme klang unsicher.
    Bosch schaute zur Schlossfassade hinauf und musterte die neugotischen Fenster und Wasserspeier. Vielleicht hatte Thibeault de Mortin wirklich ein Stück seiner Pariser Heimat nachbauen wollen und dafür Anleihen bei Notre-Dame genommen.
    Eine Krähe stieß sich von einem Sims ab, segelte über den Park hinweg und verschwand in Richtung Falkenstein. Gleich würde die Aschenbach nach Gespenstern fragen.
    Henri schlug mit den Händen auf die Armlehnen seines Sessels und stand auf. »Nehmen Sie meine Worte

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