Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Totenkult

Totenkult

Titel: Totenkult Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Eberl
Vom Netzwerk:
Gitter. Dahinter befand sich ein Raum, in dessen Mitte ein Tisch und vier Stühle standen. Wie silberne Ziegel bedeckten Schließfächer alle Wände. Als wäre das Bankgebäude auf verborgenen Schätzen errichtet worden.
    Herr Mayer fasste in seine Jackentasche und zog einen Schlüsselbund hervor. Er schloss das Gittertor auf und ließ Marie den Vortritt. »Sie haben Ihren Schlüssel?«
    Marie nickte. In all den Schließfächern um sie herum lagerten die wirklichen Schätze.
    Herr Mayer öffnete eines der Fächer, entnahm ihm eine Kassette und stellte sie auf den Tisch. »Ich warte draußen im Gang auf Sie«, sagte er. »Drücken Sie einfach auf den Knopf dort auf dem Tisch, dann lasse ich Sie wieder hinaus.« Die Gittertür schloss sich scheppernd hinter dem Jungen.
    Marie setzte sich auf einen Stuhl und stellte ihre Tasche auf den Boden. Dann starrte sie die Kassette an. Hier also hatte Roland seine Geheimnisse vor ihr versteckt. Nicht zum ersten Mal fragte sie sich, warum er nicht offen zu ihr gewesen und sie an seinen Geschäften hatte teilhaben lassen. Sie hätten ein so schönes Leben führen können. Aber Roland hatte es anders gewollt.
    Sie schloss die Kassette auf und klappte den Deckel hoch. Eine altmodische Taschenuhr glitt über eine Klarsichthülle. Darunter lag eine grüne Heftmappe. Die Taschenuhr hatte ihrem Schwiegervater gehört. Sie war nur aus Silber, viel wert konnte sie nicht sein. Marie legte sie beiseite und überflog das einzelne Blatt in der Plastikhülle. Hier hatte Roland die Nummern von Versicherungsverträgen und Bankkonten aufgelistet. Auch die Zugangsdaten für das Konto bei der Credit Suisse waren vermerkt. Na also. Marie konnte sich ein zufriedenes Lächeln nicht verkneifen. Sie schob die Klarsichthülle in ihre Handtasche. Dann nahm sie den grünen Hefter heraus.
    Auf dem Umschlag stand »Arlberg Mountain Lodge« und darunter »Arlberg Summit GmbH«. Roland hatte die ehemalige Pension Alpenblick vor etwa fünf Jahren erworben, sie zu einer Luxusferienanlage erweitert und dafür einen Immobilienfonds aufgelegt. Die Anteilsscheine waren längst verkauft und das Geschäft abgeschlossen. Was war also die »Arlberg Summit GmbH?«
    Marie schlug den Hefter auf und blickte auf einen Firmenbuchausdruck. Rasch überflog sie den Inhalt. Sie hatte lange genug in Rolands Büro gearbeitet, um einen Auszug aus dem Firmenbuch zu erkennen und ihn zu verstehen.
    Vor gut einem Jahr war die »Arlberg Mountain Lodge« von einer »Arlberg Summit GmbH« erworben worden. Als Gesellschafter fungierte Dr.   Peter Albrecht, Wirtschaftstreuhänder. Albrecht war Rolands Steuerberater gewesen. Die Geschäftsführerin hieß – Marie schnappte nach Luft – Jessica Hausmann. Rolands Sekretärin.
    Marie ließ den Hefter sinken und starrte auf die Stahltüren, die kalt im Neonlicht glänzten. Das offene Schließfach gähnte sie an. Marie senkte den Blick wieder auf den Hefter.
    Jessica. Völlig falsch hatte sie offenbar die Lage eingeschätzt. Sie war so auf dieses Schulmädchen, diese Victoria, konzentriert gewesen, dass sie Jessica keine Aufmerksamkeit geschenkt hatte. Ein unverzeihlicher Fehler. Der Frau musste sie sofort kündigen. Aber nein, so ohne Weiteres konnte sie das nicht tun. Jessica Hausmann hatte ganz sicher Zugang zu allen Daten und Informationen. Niemand wusste das besser als Marie selbst. Schließlich war sie auch einmal Rolands Sekretärin gewesen. Trotzdem, sie würde sich Jessica aus dem Weg schaffen.
    Marie fand noch ein paar ältere Kontoauszüge, die sie nur überflog und die ihr nichts Neues sagten, und ein paar Versicherungsunterlagen. Das alles ließ sie in der Kassette.
    Den grünen Hefter steckte Marie in ihre Handtasche. Die Uhr warf sie in die Kassette zurück. Sie klappte den Deckel zu und schloss ab. Das Schließfach konnte ihr noch gute Dienste leisten. Aber erst einmal musste sie sich im Büro einen Überblick verschaffen.
    »Herr Mayer?«
    »Ja, bitte?« Herr Mayer erschien an der Gittertür. »Brauchen Sie meine Hilfe?«
    »Nein, danke.« Marie schob die Kassette selbst an ihren Platz zurück und schlug die Stahltür zu. »Ich bin hier fertig. Kann ich meinen Wagen in der Tiefgarage stehen lassen? Ich habe noch einen Termin in der Nähe.« Diese Jessica konnte sich auf was gefasst machen.
    Marie nahm die Abkürzung durch den Mirabellgarten. Im August quollen die Beete von blühenden Blumen und grünem Laub über. Reisegruppen bewegten sich wie in einer einstudierten

Weitere Kostenlose Bücher