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Totenkult

Totenkult

Titel: Totenkult Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Eberl
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auf die Glut geworfen. Er müsste längst verbrannt sein.«
    »Ich glaube …« Bosch verstummte. »Was?«
    »Oder nein, Sie könnten sogar recht haben.« Henri hob den Zeigefinger. Hier galt es, einer wissenschaftlichen Frage mit Eifer und der gebotenen Sorgfalt nachzugehen. »Das Gewitter.« Seine Stimme klang befriedigt. »Der Regen muss die Kohlenglut gelöscht haben. Sehr nachlässig von mir.« Er runzelte die Stirn. Dann zog er ein Programmheft aus einem Papierstapel und überflog die Titelseite. Darauf prangte ein Wikingerschiff. »Ah, da ist es ja. Stockholm.« Das Problem war gelöst, dringendere Aufgaben standen an.
    »Sie geben also zu«, Boschs Hals war so trocken, dass er schlucken musste, »dass Sie Aschenbach getötet haben?«
    Henri schaute auf. »Natürlich nicht.« Er schob das Programm in die Aktentasche. »Aber irgendwie musste ich diesen Aasgeier ja loswerden, nicht?«
    Bosch hatte damit gerechnet, dass Henri den Mord abstreiten, wütend werden und sich auf ihn stürzen würde. Doch diese Gelassenheit war um vieles schrecklicher. Mit einem Mal wurde ihm klar, dass er mit einem Mörder auf einem abgelegenen Schloss festsaß. Nur das Knistern des Kaminfeuers war zu hören. Und der Sturm, der vor den Fenstern immer mehr an Stärke zulegte. Ohne Not hatte er sich in die Falle begeben. Er war so versessen darauf gewesen, seine frisch gewonnene Erkenntnis zu überprüfen, dass er nicht einen einzigen Gedanken an seine Sicherheit verschwendet hatte. Ein normaler Mensch hätte die Polizei gerufen. Genau deswegen war Henri so ruhig. Er wusste, dass er von Bosch nichts zu befürchten hatte.
    Henri musterte ihn. »Wollen Sie sich nicht lieber setzen, mon cher ?« Seine kräftigen Finger spielten auf dem Schreibtisch Klavier. »Soll Cesario Ihnen etwas zur Stärkung bringen?«
    Bosch schüttelte den Kopf. Dann drehte er sich um und ging zu dem Lederhocker neben dem Tigerfell. Schwerfällig ließ er sich auf den rissigen Sitz fallen. Er vergrub das Gesicht in den Händen. Daheim lag sein Hund im Korb und wartete voll Vertrauen auf ihn. Bosch hatte die Eingangstür abgeschlossen. Wenn er nicht zurückkam, würde der Hund sterben. Die einzige Person, die ihn unbeirrt von seinem ablehnenden Verhalten immer besucht hatte, war Frau Aschenbach. Sie hätte den Hund gefunden und gerettet. Aber wo, zum Teufel, war sie?
    Er nahm die Hände vom Gesicht und hob den Kopf. Da saß er hier willenlos wie das Kaninchen vor der Schlange und hätte sich fast von Henris Worten einlullen und besiegen lassen. Er stützte das Kinn in die Hand und fixierte seinen Feind, der seinen Blick ungerührt erwiderte.
    »Schauen Sie«, sagte Henri von seinem Thron herab. »Was hätte ich denn tun sollen? Das alles hier aufgeben?« Er breitete die Arme aus, als wolle er so all die ausgestopften Trophäen seines Großvaters umschließen. »Das alles ist Grand-pères Werk. All die Schätze hier im Schloss.« Er sah Bosch an. »Und meines wird das Museum sein. Der Ruhm unserer Familie wird uns alle überdauern.« Er seufzte. » Sie sind doch auch Wissenschaftler. Sie verstehen das, nicht wahr?«
    »Nein«, sagte Bosch kalt. »Übrigens – Aschenbach hatte tolle Pläne für das Schloss. Wussten Sie das?«
    »Oh ja, Aschenbach hatte sogar schon mit meiner Bank gesprochen«, sagte Henri. »Er wollte alle Kredite übernehmen. Und das Schloss dazu. Für ein – Grandhotel .« Das letzte Wort spuckte er geradezu aus.
    »Kredite? Ich denke, die Finanzierung für das Museum …«
    »Wenn das Museum einmal in Betrieb ist, sind wir gerettet. Aber bis zur Eröffnung dauert es halt noch.« Henris Clownsgesicht verzog sich zu einem schwachen Lächeln. »Sehen Sie sich doch um. Sieht so etwa das Haus eines reichen Mannes aus? Was glauben Sie, was allein der Unterhalt kostet? Und erst der Umbau.« Er schüttelte den Kopf. »Grand-père war ein reicher Mann, aber sein Vermögen ist schon seit Jahren aufgebraucht.«
    »Und da haben Sie zum Pfeil gegriffen.« Jetzt war es keine Frage mehr, sondern eine Tatsache. Henri hatte Aschenbach aus dem Weg räumen müssen, um Zeit zu gewinnen. Bis das Schloss, dessen Unterhalt er nicht mehr bezahlen konnte, endlich Gewinn abwarf.
    Die Holzscheite im Kamin fielen krachend zusammen, Funken sprühten auf das Parkett. Für einen kurzen Moment lebten sie rot glühend weiter. Dann erloschen sie und hinterließen winzige Brandlöcher auf dem bereits schwarz gesprenkelten Holz.
    Henri legte den Kopf in den Nacken. Sein Blick war

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