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Totenmal

Totenmal

Titel: Totenmal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Lykk
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Gefängniswerkstatt ging, musste es in der Strafvollzugsakte Rathke stehen. Aber sie hatten bisher nur die Akte des Strafprozesses. Und warum hatte der Nagel seine Hand durchschlagen?
    Â»Tut mir leid«, sagte Andrea Bordevig. »Eine Freundin wartete auf eine Mail von mir mit Arbeitsunterlagen. Ich arbeite seit einiger Zeit wieder bei Eatsave. Wir arbeiten gerade an einer Dokumentation über Futtermittelhersteller in Schleswig-Holstein. Immerhin gibt es hier dreiundsechzig davon.«
    Â»Wohnen Sie allein in diesem Haus?«, unterbrach Lüthje sie ungeduldig.
    Das Räderwerk in seinem Kopf arbeitete wieder. Es fiel ihm schwer, sich zu konzentrieren. Eigentlich müsste er sofort Malbek anrufen.
    Â»Nein, ich habe eine Mitbewohnerin, die aber im Urlaub ist.«
    Â»Sie haben einen neuen Lebenspartner?«
    Sie holte Luft. »Ich … macht mich das verdächtig?«
    Â»Nein, aber ich muss alles wissen, weil es um alles geht, verstehen Sie?«
    Sie nickte ergeben. »Er wohnt in Schleswig, also nicht hier. Und er weiß von alledem nichts.«
    Â»Wie kommt es, dass Sie damals für Eatsave gearbeitet haben, als Sie mit Rathke zusammen waren und ihn auch geheiratet haben, obwohl er einer der Hauptakteure in diesem Futtermittelskandal damals war? Das ist doch ein Widerspruch.«
    Â»Ich wusste doch nichts von Bennys Geschäften! Er hat mir nie etwas erzählt. Und wenn ich mal gefragt habe, wie es läuft, dann hat er gelächelt und mir seine gefüllte Brieftasche gezeigt. Die Polizei hat mir damals auch nicht geglaubt. Aber er hat mir doch nichts erzählt. Er hat mir sowieso nichts aus seinem Leben erzählt, ich wusste nichts über seine Familie, über seine Kindheit, welche Frauen er vor mir hatte. Nichts. An seinen Kern bin ich nie herangekommen.«
    Sie hielt inne.
    Â»Was ist?«, fragte Lüthje.
    Â»Er ist meiner Schwester eigentlich sehr ähnlich. An die bin ich auch nie rangekommen«, sagte sie leise und sah zu einem der beiden Fenster zum Garten, hinter denen die getrockneten Blumenbüschel im leichten Sommerwind tanzten. »Das ist mir jetzt erst klar geworden. Jetzt, in dem Moment, in dem ich versucht habe, es Ihnen zu erklären.«
    Â»Und was schließen Sie daraus?«
    Sie dachte nach.
    Â»Ich weiß nicht. Das kam jetzt zu plötzlich. Ich muss erst darüber nachdenken«, sagte sie abwesend.
    Â»Wenn Ihnen etwas dazu einfällt, bitte rufen Sie mich sofort an«, er gab ihr seine Karte. »Unter der Handynummer erreichen Sie mich immer. Außerdem empfehle ich Ihnen, unser Angebot auf Personenschutz anzunehmen. Es ist nicht auszuschließen, dass Benny Rathke nicht nur Zeugen des Strafverfahrens auf seiner Liste hat, sondern auch andere Personen.«
    Â»Und zu diesen Personen gehöre auch ich?«
    Â»Denken Sie nach! Gibt es da was?«
    Lüthje glaubte, dass es für Andrea Bordevig besser war, wenn sie es selbst dachte und aussprach. Vor ihm entstand das Bild der verwöhnten jüngeren Tochter, die im Protest gegen ihre Familie und den Rest der Welt angekommen, aber stehen geblieben war. Und dabei das selbstständige Denken verlernt hatte. Ziellos von einer ungewollten Situation in die andere gerutscht war. Und dann auch noch eine ältere Schwester hatte, die als erfolgreiche Anwältin den Erwartungen der Eltern, der Familientradition entsprach. Laura Bordevig schien nach Malbeks Schilderung diesem Bild zu entsprechen.
    In Andrea Bordevigs Gesicht arbeitete es. »Warum kommt das jetzt alles wieder?«
    Lüthje hätte gern diese Befragung, die dicht an der Vernehmung entlangsteuerte, weiter so behutsam entwickelt. Aber war jetzt nicht jede Minute kostbar?
    Â»Sie sind wegen der fahrlässigen Tötung Ihres acht Monate alten Kindes zu neun Monaten auf Bewährung verurteilt worden. Benny Rathke hat während der Haft von dem Tod seines Kindes erfahren. Halten Sie es für ausgeschlossen, dass er sich an Ihnen rächen will?«
    Sie hielt die Hände vors Gesicht, weinte, schüttelte den Kopf.
    Er suchte in seinem Rucksack ein Päckchen Papiertaschentücher heraus und hielt es ihr hin. Sie nahm es zögernd mit einem leisen »Danke« und putzte sich die Nase.
    Â»Ich hatte vorhin, als Sie mich nach meinem letzten Besuch bei Benny fragten, gehofft, dass Sie es gar nicht wissen.«
    Â»Es ist besser für Sie, wenn ich alles weiß. Außerdem empfehle ich Ihnen noch mal

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