Totenmesse - Patterson, J: Totenmesse - Step on a Crack
zum Hauptausgang der Kathedrale schleppen. Seine Jungs sahen aus wie Mitglieder eines Umweltschutz-Mönchsordens, die versuchten eine Seekuh zu retten. Eugena Humphrey ging mit, kniete sogar wieder nieder, um in der Vorhalle ihre Erste-Hilfe-Maßnahmen an Brown durchzuführen. Sie schien ein richtig gutes Mädel zu sein.
Einer seiner Männer, vor sich ein Laptop auf einem ramponierten Schreibtisch, rief ihm etwas aus den kleinen Sicherheitsräumen seitlich des Hauptaltars zu.
»Es ist da!«, berichtete er aufgeregt. »Sie haben es überwiesen. Das Geld ist da.«
Lächelnd ging Jack hinüber und blickte auf den Bildschirm. Eine Drei gefolgt von sechs Nullen stand in der Spalte neben der Nummer ihres costaricanischen Bankkontos. Dank eines halben Dutzends Banken auf den Kaiman-Inseln, der Isle of Man und in der Schweiz war die Entwirrung der gefälschten Konten und der Überweisungen unmöglich.
Drei Millionen. Er war Millionär!
Und das noch vor seinem vierzigsten Lebensjahr.
Ihm war fast schwindlig, als er das Funkgerät an den Mund hob.
»Lasst den Fettsack frei«, befahl er.
75
Jack war so aufgeputscht von dem Erfolg, dass er sogar half, das Mittagessen an die Geiseln zu verteilen. Eigentlich machte es ihm Spaß, den wählerischen Gourmet-Prominenten den kalten Mc-Doof-Fraß zu servieren. »Da-da-di-da-da - ich liebe es.«
Vor der Kapelle blieb er stehen und blickte auf seine Lieblingsgefangenen. Komisch, sie sahen gar nicht mehr nach rotem Teppich aus. Musste ganz schön fies sein, den Tag ohne Zimmermädchen, persönlichen Trainer und Lifestyle-Berater durchzustehen. Blass, verknittert, mit schweren Tränensäcken unter den Augen und auf ihrem Schnellfraß kauend, erinnerten sie ihn an etwas.
Ach ja, genau.
An Menschen.
Er nahm das Mikrofon vom Ständer.
»Hallo zusammen«, begann er. »Endlich kommen die Dinge ins Rollen. Es wurde mit der Überweisung des Lösegeldes begonnen. Jetzt dauert’s nicht mehr lange. Ich hoffe, Ihre Socken wurden sorgfältig über den Kamin gehängt.«
Jack machte eine Pause. Sein von den Lautsprechern verstärktes Seufzen klang beinahe wehmütig.
»Das muss ich Ihnen jetzt aber schon noch sagen, Leute«, fuhr er fort. »Ich dachte echt, ein Haufen Prominente wie Sie würden unter solchen Umständen durchdrehen. Aber die meisten haben mich vom Gegenteil überzeugt. Sie haben besser durchgehalten als erwartet, und das sollte Sie stolz machen. Und ich hoffe wirklich, die Behörden kooperieren
weiterhin. Sie können diese Erfahrung mit sich nehmen und Ihr Leben weiterleben. Und selbst wenn noch ein paar weitere von Ihnen eliminiert werden müssen, sterben Sie in dem Wissen, dass Sie dies in Ihrer Blütezeit tun. James Dean, Marilyn Monroe und Sie. Sie mögen zum Star aufgestiegen sein, aber denken Sie darüber nach. Ein paar Kugeln in den Hinterkopf auf den Stufen der St. Patrick’s Cathedral? Das macht Sie zur Legende.«
Als Jack von der Kanzel trat, erhob sich Eugena Humphrey.
»Sir«, rief sie tapfer, »darf ich Ihnen etwas sagen?«
Jack griff in seiner Kuttentasche nach dem Elektroschocker, hielt aber inne. Das Gesicht dieser Frau hatte etwas Faszinierendes, das, wie er zugeben musste, unwiderstehlich war.
»Machen Sie fix«, gewährte ihr Jack schließlich.
»Danke.« Eugena räusperte sich und blickte Jack direkt in die Augen.
Kein Wunder, dass diese Frau so erfolgreich war, dachte Jack angesichts der Stärke und des Selbstvertrauens, das sie ausstrahlte. Als säßen sie beide zusammen in einem kleinen, gemütlichen Zimmer, statt sich über Waffen und Geiseln hinweg anzuschreien.
»Ich möchte Ihnen sagen, dass es uns allen leid tut, wenn wir Sie durch das, was wir sind, oder durch unseren Lebensstil auf irgendeine Weise gekränkt haben. Ich bin die Erste, die zugibt, dass ich mich manchmal von Dingen vereinnahmen lasse statt von den Gefühlen anderer Menschen. Doch, ehrlich, nach diesem Martyrium empfinde ich anders. Ich werde wieder die einfachen Dinge im Leben genießen können. Ich habe aus diesem Vorfall gelernt, wie alle hier, und so seltsam es auch klingt, ich möchte Ihnen
dafür danken. Aber bitte, töten Sie niemanden mehr. Weil das, was Sie gesagt haben, stimmt: Wir sind nichts Besonderes. Wir sind Menschen. Wie Sie.«
Jack starrte diese Frau einfach nur an. Er hätte es für unmöglich gehalten, doch beinahe bekam er ein schlechtes Gewissen. Diese feierlich vorgetragene Bitte dieses dummen Weibsbildes hatte ihn fast mürbe gemacht. Und das,
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