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Totenmesse - Patterson, J: Totenmesse - Step on a Crack

Totenmesse - Patterson, J: Totenmesse - Step on a Crack

Titel: Totenmesse - Patterson, J: Totenmesse - Step on a Crack Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Patterson
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Latino Ende vierzig, Anfang fünfzig. Nichts in den Taschen. Eine Neun-Millimeter-Beretta in einem Halfter unter dem Arm, aber mit abgefeilter Seriennummer. Ein Blick auf seine Hände ließ mich aufstöhnen - die Fingerkuppen waren zerstört. Ich hatte ähnliche Fingerkuppen schon an den Händen von Crackrauchern gesehen, deren Rillen weggeschmolzen waren, nachdem sie zu viele heiße Pfeifen gehalten hatten.
    Nein, dachte ich, diese Schweine würden nicht verschwinden, ohne mir wenigstens eine Spur zu hinterlassen. Ich suchte Lonnie Jacob, einen Kollegen von der Spurensicherung, mit dem ich mehrmals zusammengearbeitet hatte, und zeigte ihm die Hände des Geiselnehmers.
    »Meinen Sie, Sie finden was?«, fragte ich. »Vielleicht einen Teil«, antwortete er skeptisch. »Ich muss ihn mir im Leichenschauhaus vornehmen. Ich bezweifle aber, dass wir was finden. Dieser Kerl wollte nicht identifiziert werden.«
    »Was ist los, Mike?«, fragte Commander Will Matthews kurz darauf, als er über die Glassplitter auf mich zukam. »Sind Sie zur Kanalreinigung übergelaufen?«
    »Ich dachte, ich strecke nach dieser Pleite schon mal meine Fühler aus«, erklärte ich.
    »Wir haben alle getan, was wir konnten, Mike«, tröstete mich Will Matthews und betrachtete das Chaos um uns herum.
»Das ist die Wahrheit und die Version der Geschichte, an die ich mich halte. Ich rate Ihnen, es mir während des bevorstehenden Medienansturms nachzubeten.«
    »Werde ich«, versprach ich. »Wir haben getan, was wir konnten. Entspricht zufällig der Wahrheit.«
    »Jetzt verschwinden Sie zu Ihrer Familie. Mein Fahrer wartet draußen auf Sie. Das ist ein Befehl.«
    Ein kalter Wind schlug mir entgegen, als ich nach draußen trat. Ich hatte es bisher kaum bemerkt, aber diese Weihnacht hatte sich zu einem dieser edelstahlfarbenen Dezembertage entwickelt, an denen man das Gefühl hat, der Winter würde nie enden. Und als ich hinten in den Wagen stieg und meine Gedanken zu meiner Frau schweifen ließ, kam ich zu dem Schluss, dass ich keine Lust darauf hatte, ihn enden zu lassen.
    Wenn Maeve den nächsten Frühling nicht mehr erleben durfte, sollten es die anderen auch nicht.

100
    Manche sagen, Weihnachten in New York sei unvergleichlich, doch die Stadt hatte auf mich noch nie grausamer gewirkt als zu dieser Zeit. Nachdem ich nach Hause gegangen war und mich umgezogen hatte, fuhr ich mit meiner Brut ins Krankenhaus. Ich nahm die Kränze und Lichter nicht mehr wahr, nur noch die endlosen, grauen Korridore mit nackten Fenstern, den schmierigen Beton, den Dampf, der aus den kaputten Straßen aufstieg. Ein irischer Schriftsteller hat Manhattan einmal als »Kathedrale« bezeichnet, doch als ich mit unserem Van vor dem Krankenhaus hielt, wirkte die Stadt auf mich eher wie eine riesige Baustelle. Chaotisch, kalt und erbarmungslos.
    Ich musste mich ab und zu am Türrahmen festhalten, um nicht vor Erschöpfung umzufallen, während Mary Catherine die Kinder, die in ihren besten Kleidern steckten und ihre grell eingepackten Geschenke umklammerten, aus dem Wagen hob und mir reichte.
    Selbst die ernsten Krankenschwestern, die zu Weihnachten hier festsaßen, bekamen angesichts unserer traurigen Prozession Tränen in die Augen, als wir durch die Eingangshalle zu unserem guten, alten vierten Stock marschierten.
    »Wartet mal kurz.« Ich tastete meine Taschen ab. »Das Band vom Krippenspiel. Ich hab’s vergessen.«
    »Hier ist es, Mike.« Mary Catherine reichte mir das Band.
    Ich wollte ihr schon wieder für ihre Lebensrettungsmaßnahmen
danken. Aupair, dachte ich, war das der gälische Ausdruck für »gute Fee«? In Afghanistan hätte sie eine fröhlichere Weihnacht gehabt als hier mit meiner Horde, aber jetzt steckte sie tief drin in der Tinte.
    »Liebe Grüße an Maeve«, wünschte diese wunderbare junge Frau. »Ich warte im Foyer, wenn Sie mich brauchen. Bis später.«
    Seamus kniete neben Maeve, die in ihrem Rollstuhl saß, als wir um die Ecke bogen.
    Beim Anblick der offenen Bibel in seiner Hand schnürte sich mir die Kehle zu, und beim Kreuzzeichen auf ihrer Stirn blieb ich stehen. Die Sterbesakramente?
    Wie sollte ich das überstehen? Ausgerechnet heute?
    Irgendwie schaffte es Maeve zu lächeln, als ich an den Türrahmen klopfte. Sie war wie üblich herausgeputzt, diesmal aber mit einer Weihnachtsmannmütze statt ihrer Yankee-Kappe.
    Seamus schloss die Bibel und nahm mich fest in die Arme. »Gott gebe dir Kraft, Michael«, flüsterte er in mein Ohr. »Deine Frau ist

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