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Totenmesse - Patterson, J: Totenmesse - Step on a Crack

Totenmesse - Patterson, J: Totenmesse - Step on a Crack

Titel: Totenmesse - Patterson, J: Totenmesse - Step on a Crack Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Patterson
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schon nicht mehr. So sanft wie in unserer Hochzeitsnacht legte ich ihren Kopf aufs Kissen.
    Das war’s dann, dachte ich immer wieder. Das war’s dann.
    Das Zimmer drehte sich, während ich nach Luft schnappte, als würde auch ich sie zusammen mit meinem Geist vollständig aushauchen.
    Alles, was mich je glücklich gemacht hatte, jedes Lachen, jeder Sonnenuntergang, jede Hoffnung, alle guten Dinge, die ich in meinem Herzen bewahrte und noch bewahren würde, gerieten ins Wanken, lösten sich aus der Verankerung und fielen heraus.
    Ich blickte auf, weil plötzlich Gesang ertönte.
    Das Band mit dem Krippenspiel war irgendwie wieder angesprungen, und auf dem Bildschirm ging Chrissy in ihrem silbernen Engelskostüm über die Bühne, während die ganze Schule »Stille Nacht« sang.
    Ich schaltete das Gerät und das Licht aus und legte mich neben meine Frau. Vor dem Fenster rieselte leise der Schnee.
    Wie kann ich noch leben?, dachte ich, während mein Herz selbstsüchtig in meiner Brust weiterschlug.
    Ich griff nach Maeves Hand und spürte den kalten Ehering. Ich erinnerte mich an die glücklichen Tränen in ihren Augen, als ich ihn ihr in der kleinen Kirche, in der wir geheiratet hatten, auf den Finger gesteckt hatte. An den
Reis, der sich mit Schneeflocken vermischt hatte, als wir Hand in Hand die Kirche verließen und die Holzstufen hinabgegangen waren.
    Ich schloss meine Augen und hörte nichts mehr. Die Geräusche im Krankenhaus verebbten in der Dunkelheit, ebenso die Geräusche vor dem Fenster. Alles, was mir auf dieser Welt geblieben war, war die kalte Hand meiner Frau in meiner und eine Leere, die wie eine Hochspannung in mir pulsierte.

102
    Die Stationsschwester, Sally Hitchens, betrat morgens um halb fünf das Zimmer. Lächelnd half sie mir aufzustehen. Sie würde sich jetzt um Maeve kümmern, versprach sie, als ich desorientiert und mit wahnsinnigem Blick auf meine Frau hinabsah. Sie würde sie beschützen und bei ihr bleiben, solange es nötig war.
    Ich ging die dreißig Straßenblocks im Morgengrauen zu Fuß nach Hause. Die Kälte brannte auf meinem Gesicht. Ein Barmann, der auf der Amsterdam Avenue die stählernen Fensterläden einer Bar zuknallte, bekreuzigte sich, als ich an ihm vorbeiging.
    Ich stolperte förmlich ins Wohnzimmer, wo sich alle Kinder bereits versammelt hatten und sich um mich scharten, sobald ich mich gesetzt hatte.
    Ich hatte gedacht, ich hätte einen Teil des Schmerzes zurückgelassen, doch ich hatte mich getäuscht. Mein Herz wurde immer schwerer, während ich meinen Blick über die Gesichter meiner Kinder gleiten ließ, und beim Anblick der Tränen in den Augen meiner kleinen Chrissy wurde meine Trauer zu einem dichten, schwarzen Loch.
    Todesnachrichten zu überbringen ist vielleicht die schwerste Aufgabe für einen Detective der Mordkommission. Hier musste ich sie in meinem eigenen Wohnzimmer an meine eigenen Kinder überbringen.
    »Mama ist in den Himmel gegangen«, brachte ich schließlich heraus und nahm meine Kinder in die Arme.
    »Mama ist jetzt im Himmel, Kinder. Betet für sie.«
    Schließlich löste ich mich von den schluchzenden Kindern
und wankte in die Küche, um Seamus und Mary Catherine die Nachricht zu überbringen.
    Dann ging ich in mein Zimmer, schloss leise die Tür und setzte mich auf den Bettrand.
    Vielleicht zehn Stunden später kam Seamus ins Zimmer, wo ich immer noch in den gleichen Kleidern, ohne geschlafen zu haben, auf dem Bett saß.
    Er setzte sich neben mich.
    »Als ich deine Großmutter verloren habe«, begann er leise, »war ich bereit zu morden. Die Ärzte, die mir gesagt hatten, sie sei gestorben. All die Menschen, die zu ihrer Totenwache kamen. Selbst der Priester auf ihrer Beerdigung hat mich unglaublich wütend gemacht. Weil sie so glücklich waren. Sie mussten nicht nach Hause in eine leere Wohnung gehen. Sie mussten nicht auf den Lärm der Stille lauschen, während sie die Sachen ihrer Frau forträumten. Ich hatte sogar ernsthaft überlegt, wieder zur Flasche zu greifen, die mir Eileen so erfolgreich weggenommen hatte. Aber ich tat es nicht. Weißt du, warum?«
    Ich schüttelte den Kopf. Ich hatte keine Ahnung. »Weil es eine Beleidigung gewesen wäre. Nicht für Eileens Andenken, wie mir klar wurde, sondern für Eileen selbst. Da merkte ich, sie war nicht vollständig fort. Sie war nur ein Stück vorausgegangen. Und eine Sache habe ich durch Eileens Beispiel gelernt: Du stehst auf und ziehst dich an und tust, was du tun kannst, bis der Tag kommt,

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