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Totenmesse

Titel: Totenmesse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Dahl
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Kirche im Dorf.«
    Â»Das sagst du nur, weil Grundström dabei ist«, entgegnete Söderstedt.
    Â»Denn wir wissen doch, dass du wilde Spekulationenliebst«, sagte Paul Hjelm. »Damit haben wir uns in der Vergangenheit reichlich oft beschäftigt.«
    Â»Ich liebe sie auch«, sagte Grundström einfach. »Solange wir uns bewusst machen, dass es Spekulationen sind.«
    Â»Okay«, sagte Kerstin Holm, und der Schatten eines Lächelns huschte über ihr Gesicht. »Also hat der Nachtwanderer mit dem Hund den Showdown gesehen? Die Konfrontation auf der Basis der Amerikaner, einem Landhaus, das einem Nils Ingvarsson gehört, der Langzeiturlaub in Brasilien macht?«
    Â»Wenn ich du wäre«, sagte Jorge Chavez, »würde ich die Existenzform dieses Mannes gründlich unter die Lupe nehmen. Was passiert dann? Wer stirbt? Wer gewinnt?«
    Â»Davon verrät die Geschichte nichts«, sagte Paul Hjelm. »Und wenn wir hinkommen, dürfte alles ganz normal sein. Wenn auch sehr ordentlich geputzt und staubfrei, erstaunlich nicht zuletzt angesichts der Tatsache, dass man gerade ein paar Monate Urlaub in Brasilien gemacht hat.«
    Â»Er hat wohl eine schwarze Putzhilfe«, sagte Chavez.
    Â»Ganz bestimmt hat er ein paar davon in der Hinterhand, die bei Bedarf herangezogen werden«, sagte Hjelm.
    Â»Wenn euer mastermind denn existieren sollte«, sagte Kerstin Holm, wieder mit leicht erhobener Stimme, »dann wird ihn auf jeden Fall eine altehrwürdige Polizeiermittlung ausfindig machen. Also Arbeitsverteilung: Jorge und Jon, ihr begleitet mich in die Untersuchungshaft zum Verhör von Sven Fischer. Sara und Lena, ihr nehmt euch die Namensliste von Geir und Haavard vor. Niklas und Paul, ihr fahrt nach Färingsö. Arto und Viggo, ihr arbeitet weiter an der Identität der Bankräuber und achtet darauf, welche Fortschritte Brynolf mit dem sogenannten Rohr macht. Damit wir wenigstens eine Ahnung davon bekommen, worum es bei dieser Geschichte geht.«
    Â»Eine kleine Ahnung haben wir uns immerhin zurechtgelegt«, sagte Arto Söderstedt.

34
    Gunnar Nyberg konnte vom Dogenpalast nicht genug bekommen. Es war vielleicht nicht gerade der Inbegriff von chic , sich ausgerechnet auf den Dogenpalast zu kaprizieren, den absoluten Fixpunkt der Touristenströme, aber anderseits war keine Zelle in dem enormen Körper chic  – und auch keine Zelle in dem gewaltigen Palast. Außerdem war es März, und es gab keine Touristenströme. Manchmal, wenn sie auf dem Weg vom Hotel an der Rialtobrücke durch die Gassen wanderten – aneinandergeschmiegt, sie fast verschwunden in seiner bärenhaften Umarmung zum Schutz vor den nasskalten Spätwinterwinden –, hatten sie das Gefühl, Venedig ganz für sich allein zu haben. Allerdings nicht den Dogenpalast, zu dem er immer wieder zurückkehrte, wie magnetisch angezogen von den prächtigen Sälen, aber auch von den merkwürdigen Rüstungskammern mit dem unendlich phantasievollen Arsenal an Waffen und Folterwerkzeug aus dem Mittelalter und der Renaissance – und vielleicht am meisten von den Folterkammern und Gefängniszellen im tropfnassen Kellergewölbe.
    Ludmila schauderte es beim Anblick der pedantisch ausgeklügelten Folterwerkzeuge, obwohl sie sie schon zum dritten Mal sah. Sie sagte: »Auf Chios hast du an Massaker gedacht, und jetzt denkst du an Folter. Verwandelst du dich etwa in einen Psychopathen?«
    Nyberg drückte sie, dass es knackte, und sagte: »Noch schlimmer. Heute Nacht fresse ich dich auf.«
    Und dann dieses gemeinsame Lachen, das das Leben vermutlich um einige Wochen verlängerte. Allein auf dieser Reise hatten sie ein paar Jahre zusammengelacht.
    Doch Tatsache war, dass Gunnar Nyberg selbst nichtbegriff, warum ihn dieses menschliche Verlangen, anderen zu schaden, so faszinierte, all dieser Erfindungsreichtum, wenn es galt, Leid zuzufügen. War es, weil er selbst in früher Jugend die Verlockung der Gewalt gespürt hatte? Aber es handelte sich nicht um Selbstbestrafung, nicht nur um die Reste eines in vielen Jahren aufgebauten Fakirverhaltens. Es war noch mehr. Es war wie ein Lockruf.
    Ein Lockruf aus großen Tiefen.
    Er schüttelte es ab, und sie gingen weiter durch die Säle.
    Ãœbermorgen würden sie das kleine Haus auf dem Land ansehen, zwanzig Kilometer von Venedig entfernt. Die Fotos, die Ludmila vom Makler mitgebracht

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