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Totenmesse

Titel: Totenmesse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Dahl
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Söderstedt.
    Dem Chef der Nationalen Einsatztruppe reichte es. Er stand auf und sagte mit deutlich zurückgehaltenem Zorn: »Ich bin sicher, dass diese Haarspaltereien bei der Einheit für Gewaltverbrechen von internationaler Art erfolgreich gewesen sind. Aber für die Geiseln tickt die Uhr. Jeden Augenblick kann halb Östermalm in die Luft fliegen. Wir müssen einen konkreten Plan ausarbeiten. Wir müssen uns auf eine Erstürmung der Bank vorbereiten.«
    Jan-Olov Hultin starrte ihn an. Seine Neutralität war so schneidend, dass es dem NE-Chef schwerfiel, stehen zu bleiben.
    Â»Eine Erstürmung ohne exakte Kenntnis, das heißt, halb Östermalm zu sprengen«, sagte Hultin bissig.
    Â»Nichtsdestoweniger«, sagte der NE-Chef verkniffen, »brauchen wir dringend einen Plan B, den wir unmittelbar umsetzen können, falls die da drinnen auf die Idee kommen, Geiseln zu erschießen.«
    Â»Als Erstes benötigen wir die Bestätigung dafür, dass sie die Sprengladungen ›im Bruchteil einer Sekunde zünden‹ können.«
    Â»Das hätte schneller gehen sollen«, beharrte der NE-Chef tapfer. »Sobald wir erkannt haben, dass es einen Kontakt in der Bank gibt, hätten wir einen exakten Lagebericht verlangen sollen.«
    Â»Unsere Priorität muss sein, nicht überhastet zu reagieren. Außerdem brauchen wir Livebilder, denn die Frage nach der Größe des Ventilschachts ist mindestens ebenso wichtig.«
    Die Luft zwischen dem NE-Chef und Hultin knisterte, es gab einen bläulichen Blitz wie bei einem elektrischen Kurzschluss. Hinterher war es in den Blicken vollkommen dunkel, und der NE-Chef sank zurück auf seinen Stuhl.
    Hultin wäre auch gern auf einen Stuhl gesunken. »Okay«, sagte er stattdessen und fühlte sich zerschlagen. » Ein Handlungsplan betrifft die Frage des Ventils. Gehen wir davon aus, dass der Schacht weit genug ist für einen ›kleinen Polizisten‹. Wärest du, Jorge, gegebenenfalls bereit, hineinzukriechen und eine Mikrokamera anzubringen?«
    Â»Ich melde mich freiwillig«, sagte Lena Lindberg und fügte giftig hinzu: »Ich habe noch kein Kind.«
    Sara Svenhagen gab ein kurzes Lachen von sich, so kurz, als wäre es ein Irrtum.
    Hultin sah Lena Lindberg an, der er ein einziges Mal begegnet war, auf seinem schicksalsträchtigen Abschiedsfestbei der Pensionierung vor einem knappen Jahr. Was er jetzt sah, war nicht mehr das sprudelnde, gepiercte blonde Wesen, auf das er damals reagiert hatte. An den Seiten ihres scharfen Blicks lauerte etwas anderes als Schärfe, etwas – Gefährliches. Er konnte es sich selbst nicht anders beschreiben und natürlich auch nicht rational begründen. Dennoch war sein Entschluss glasklar. »Ich habe Jorge gefragt«, sagte er.
    Â»Weißt du, wie man das nennt?«, fragte Lena Lindberg eiskalt.
    Â»Ich weiß, was du meinst.«
    Â»Es heißt Geschlechtsdiskriminierung.«
    Â»Es hat mit Geschlecht nichts zu tun«, sagte Hultin und hörte im selben Moment, wie blass es klang.
    Â»Natürlich kann ich aktiv zur Geschlechtsdiskriminierung beitragen«, sagte Jorge Chavez gutmütig. »Aber mir war, als hätte ich vor Kurzem einen relevanten Einwand gehört.«
    Â»Aha«, sagte Arto Söderstedt. »Es kommen also doch ein paar akustische Wellen ans Ziel.«
    Hultin wandte sich an seinen Lieblingsfinnen: »Du hast gesagt: ›Entsteht nicht ein deutlich hörbares Geräusch, wenn jemand sich durch einen Ventilationsschacht zwängt?‹«
    Â»Na wer sagt’s denn«, meinte Söderstedt. »Es liegt also nicht daran, dass man mich nicht hört. Schön zu wissen, dass man noch nicht tot ist. Aber dann muss es einen anderen Grund dafür geben, dass ich ignoriert werde.«
    Â»Den gibt es«, sagte Hultin. »Ich komme sofort darauf zurück. Aber lasst uns das hier festhalten.«
    Â»Ein einziges kleines Geräusch«, sagte Chavez, »und rein mit der MP ins Ventil. Eine schnelle Kugelgarbe macht Isabel vaterlos.«
    Â»Davor fürchte ich mich nicht«, sagte Lena Lindberg.
    Jetzt sah Hultin, was in diesem Blick lauerte. Es war Todessehnsucht.
    Â»Ebendeshalb«, sagte er.
    Der Chef des Reichskrim sagte: »Klar können wir Geräuschlosigkeit hinkriegen und alle erdenklichen Sicherheitsvorkehrungen treffen.«
    Â»Wenn es so ist«, sagte Chavez mit einem Schulterzucken.

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