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Totenmesse

Titel: Totenmesse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Dahl
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Wahrscheinlich saßen sie irgendwo in der Nähe, die ganze verdammte A-Gruppe, nur ein paar Meter entfernt. Aber Paul hat sein Handy zu Hause vergessen. Es wäre so verflucht typisch.
    In dem Moment kam die Nachricht. Lautlos. Nur ›Sie haben eine Nachricht‹. Mit gefalteten Händen holte sie die Nachricht aufs Display.
    Jetzt betete sie tatsächlich.
    Doch sie wusste nicht, zu wem oder was.
    â€ºCilla. Ich bin bei dir. Ein paar Aufträge: 1. Wie wird der Sprengstoff gezündet? 2. Wie viele Räuber sind es? 3. Kannst du eine Nahaufnahme des Ventils über dem Schreibtisch mit dem Telefon machen? 4. Kannst du mehr Bilder machen? Halte durch. Paul.‹
    Sie war darauf vorbereitet, auf die eine oder andere Weise verletzt zu sein. Sie hatte es sogar beschlossen, also durchsuchte sie die Nachricht mit der festen Absicht, etwas zu finden, worüber sie gekränkt sein konnte. Es gab nichts. ›Halte durch‹? Nein, das war kurz und knapp. Echt Paul. Aber ›Ich bin bei dir‹, das würde Paul nie schreiben. Wahrscheinlich kam es von Kerstin Holm. Eine kreative Koproduktion.
    Nein, nicht einmal daran konnte sie Anstoß nehmen.Es war doch klar, dass sie zusammenarbeiteten. Außerdem mochte sie Kerstin. Also die ›Aufträge‹.
    Cilla warf einen Blick zu den Bankräubern. Etwas ging da vor. Eine stumme Konversation. Der Kleinere nickte in verschiedene Richtungen. Der Größere wühlte in einer der Taschen und holte ein Werkzeug heraus. Eine Art Schraubenzieher. Und nirgendwo in ihren Händen sah sie eine Zündvorrichtung.
    â€º1.‹, schrieb sie. ›Weiß nicht. Nichts zu sehen.‹
    â€º2.‹, schrieb sie. ›2‹.
    Als sie aufblickte, sah sie geradewegs in die Augen des größeren Bankräubers.
    Was ist eigentlich Angst? Wie kann man Todesangst beschreiben? Was Cilla in einer Sekunde, die eine Ewigkeit dauerte, durchfuhr, konnte nur ein Vorgeschmack des Todes sein, wie ein Schritt hinaus ins Unsagbare. Ein Besuch in einer Welt, in der sich nur wenige Menschen je befunden haben. Und keiner, der dort gewesen ist, kommt unverändert zurück.
    Wie alle Lebensfunktionen einfach aufhören.
    Etwas in ihr ließ sie die Hände um das Handy falten. Sie blickte darauf nieder und schloss die Augen. Sie erwartete den Tod.
    Doch nichts passierte.
    Als sie die Augen wieder öffnete, war sein Blick noch da. Er stand nur zwei Meter von ihr entfernt, die Maschinenpistole war auf den Boden gerichtet. Und der Blick, den sie zuvor als grau und kühl empfunden hatte, wirkte auf einmal warm und farbsprühend. Er nickte ihr kurz zu, und da begriff sie, dass er Christ war. Und mit einer plötzlichen Klarheit dachte sie: Diese Menschen werden uns nicht töten.
    Als wäre die Religion ein Schutz vor Gewalt und nicht die Heimstatt der Gewalt.
    Der Bankräuber entfernte sich, ließ aber eine unerwartete Sicherheit zurück. Wenn es sich nun um das Stockholmsyndromhandelte, das langsam einsetzte? Wenn dies der Augenblick war, in dem die Geisel anfängt, sich auf die Seite der Täter zu schlagen? Weil sie wusste, dass der Große nicht auf dem gleichen Weg zurückkehren würde, erlaubte sie sich, unter ihren angehobenen Knien eine Reihe ungezielter Fotos zu machen. Sie blickte auf und sah sich im Tresorraum um. Barbro und die junge Bankangestellte schienen nicht die geringste Notiz von den kleinen Klicks zu nehmen, die in ihren eigenen Ohren wie Trommelfeuer klangen, aber der Bankmann starrte sie voller Entsetzen an. Sie hob den Finger an die Lippen, eine kurze, aber sprechende Geste, hoffte sie, und er sah aus, als wollte er jeden Moment losschreien.
    Aber er tat es nicht.
    Sie wandte den Blick hinaus zum Büroraum. Die Räuber hatten nichts gemerkt – sie waren mit ihren Dingen beschäftigt. Der Große war zurückgekommen. Er legte die Maschinenpistole auf den Schreibtisch vor dem Kleinen, der wieder eine Art minimalistische Gestik vollführte, griff nach dem Werkzeug und verschwand aus Cillas Blickfeld.
    Sie wollte noch einmal die Fotos durchgehen, bevor sie sich der schwierigsten Aufgabe zuwandte, der drei. Als sie den Blick aufs Handy senkte und sah, wie die Uhr auf dem Display auf 13:45 umsprang, bemerkte sie aus dem Augenwinkel, dass der Kleine dem Großen zunickte. Es war seine deutlichste Geste bisher.

    Das Zifferblatt war von Staub bedeckt. Es spielte keine Rolle. Er wusste auch so, dass

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