Totenmesse
unter kaltes Wasser. Am Bauch war eine gerötete Stelle von ein paar Zentimetern, aber es musste nicht einmal eine Blase geben. Nicht, wenn so schnell kaltes Wasser daraufkam. Nach einer Weile lieà er Danne in der Wanne sitzen und warm duschen, damit er sich erholte. Währenddessen kehrte er in die Küche zurück.
Am Fenster der Balkontür waren deutliche Blutspuren zu erkennen. Cilla war in Ohnmacht gefallen. Er öffnete die Tür und beugte sich über sie.
In diesem Augenblick schlief er ein.
Kerstin Holm schlief. Ein Bild trat vor ihr inneres Auge. Es hatte sich schon gezeigt, als sie noch wach war, ohne allzu direkt ihre Aufmerksamkeit zu beanspruchen. Eher hatte es am Rand ihres Bewusstseins ein wenig geschabt.
Jetzt war es anders. Es war das Bild der Nationalen Einsatztruppe, das in ihrem Schlaf zum Leben erwachte. Sechs, nein sieben NE-Männer in angehaltener Bewegung. Zwei Bankräuber. Ein NE-Mann steht, die beiden Räuber rechts und links neben sich, den anderen zugewandt, mit dem Rücken zur Kamera und einer Hand am Helm. Die Hand hebt für einen kurzen Moment das dunkle Visier hoch, wie um sich klare Sicht zu verschaffen.
Aber auf dem Bild ist noch etwas.
Zwei der NE-Männer sind auf dem Weg zum Raum mit den SchlieÃfächern, dessen Türöffnung man sieht. Und darinnen ist etwas. ÃuÃerst vage Konturen, in Richtung des FuÃbodens. Dunkel, diffus, leicht kantig, aber doch: ein sitzender Mensch. Und in der Hand ein Gegenstand. Ein kleiner Gegenstand, der genau auf den NE-Mann zwischen den Räubern gerichtet ist. Genau auf den falschen Polizisten.
Ein Handy.
Genau auf das aufgeklappte Visier gerichtet.
Kerstin Holm fuhr mit einem Ruck aus dem Schlaf hoch. Sie tastete instinktiv nach dem Platz neben sich im Bett. Es war ein neuer Instinkt, aber er war unfehlbar bei jedem Erwachen. Und fast ebenso unfehlbar lag ihr Sohn da, klein und warm. Und jedes Mal war sie dankbar und glücklich.
Sie strich über sein Haar, erhielt ein paar Grunzlaute als Antwort und erwachte mit einem zweiten Ruck. Sie dachte: Wie oft muss ich eigentlich wach werden?
Sie setzte sich im Bett auf und starrte ins Dunkel.
Das Handy lag auf dem Nachttisch und diente als Wecker. Kerstin Holm tastete danach und blickte auf das erleuchtete Display. Hastig wählte sie eine Nummer.
Es klingelte kurz, dann sagte eine Stimme: »Dies ist Paul Hjelms Mobiltelefon. Bitte sprechen Sie nach dem Piepton.«
Sie versetzte dem Handy einen Schlag und kam nicht einmal dazu, irritiert zu sein, weil sie seine Privatnummer auswendig wusste. Dort bekam sie zur Antwort: »Paul Hjelm hier. Bitte sprechen Sie nach dem â¦Â«
Sie legte auf, schloss die Augen und versuchte sich zu erinnern. Dann wählte sie eine dritte Nummer. Es klingelte.
Nach mehrmaligem Klingeln meldete sich eine matte Stimme: »Hallo.«
»Paul? Kerstin hier. Hör jetzt gut zu. Es könnte sein, dass Cilla in Gefahr ist.«
»Danke. Ich weië, sagte Paul Hjelm.
Paul Hjelm wusste nicht, was ihn geweckt hatte, aber die Ursache war greifbar genug, um ihn binnen einer Sekunde hellwach werden zu lassen. Er saà im Bett seines inzwischen erwachsenen Sohns und wusste nicht, ob es wirklich ein Geräusch war. Vielleicht nur eine atmosphärische Veränderung.
Er hatte seine Dienstwaffe nicht bei sich. Unmittelbar nach dem Eintreffen von Cillas SMS war er nach Ãstermalm gefahren und hatte die Pistole nicht mitgenommen.
Was für ein miserabler Leibwächter er doch war.
Er schlich auf Socken aus dem Zimmer und folgte dem Flur im Untergeschoss. Ganz vorn, gegenüber der Wohnzimmertür, bog der Flur nach links ab und lieà im Dunkeln den Blick auf die Tür zu Cillas Schlafzimmer ahnen. Sein Weg dorthin führte am offenen Kamin im Wohnzimmer vorbei. Er ergriff den Feuerhaken und machte sich plötzlich die Absurdität der Situation bewusst. Er konnte nicht umhin, an all die Filme zu denken, in denen Menschen nach dem Feuerhaken griffen und, einem unbekannten Geräusch folgend, durch ein dunkles Haus schlichen.
Er wusste nicht einmal, ob es ein Geräusch war. Aber etwas war es.
Er gelangte zur Wand und näherte sich der Tür von der Seite. Die Tür stand offen, wie er sie zurückgelassen hatte. Noch drei Meter. Und immer noch kein eindeutiges Geräusch.
Es gab keine Gedanken. Nur eine eindeutige Ãberzeugung: Etwas stimmte nicht.
Er gelangte an den
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