Totenmesse
Türpfosten, hielt inne und schloss die Augen.
Der Mund war trocken.
Es war ganz und gar nicht unwahrscheinlich, dass dies Paul Hjelms Todesaugenblick war.
Er würde in seiner alten Wohnstatt sterben, heimgekehrt wie Odysseus nach dem langen Krieg jenseits des Meeres. Und nach der langen Irrfahrt zurück in die Heimat.
Er holte tief Luft. Dann stürzte er mit erhobenem Feuerhaken ins Schlafzimmer.
An Cillas Bett stand ein maskierter Mann, eine mit Schalldämpfer versehene Pistole in seiner Hand war auf die zerknüllte Bettdecke gerichtet. Hjelm war erstaunt, wie schneller war, wie hart er mit dem Feuerhaken den Unterarm des Mannes traf, wie hörbar der Knochen zersplitterte, wie langsam die Pistole durch die Luft flog.
Hjelm hechtete der Pistole nach. Der Mann warf sich wortlos auf ihn. Er war schneller, stärker, härter, jünger, aber er war im Nachteil durch seine Verblüffung und seinen zerschmetterten Arm. Hjelm fuchtelte mit dem Feuerhaken wie ein Wahnsinniger, und er traf ein ums andere Mal. Blut spritzte. Der Mann gab keinen Ton von sich. Und beide tasteten und griffen nach der Pistole, die in dem Gerangel unterm Bett landete. Cilla schrie laut. Der Mann kam hoch, Blut trat aus den Löchern in seiner Maske hervor. Hjelm zielte mit dem Feuerhaken auf die Beine des Mannes. Der Maskierte sprang geschmeidig wie ein Hürdenläufer über den Feuerhaken, warf sich auf den FuÃboden und raffte mit der linken Hand ein Handy auf, das ihm entglitten war, schlug es Hjelm an den Kopf und stürzte hinaus. Hjelm war leicht groggy, bekam jedoch die Pistole unter dem Bett zu fassen und lief mit einer Waffe in jeder Hand wie ein wahnsinniger Serienmörder hinter dem Mann her. Er lief durchs Wohnzimmer und hörte Geräusche aus der Küche. Die Balkontür schlug zu. Es waren deutliche Blutspuren an der Scheibe. Hjelm warf einen Blick auf den Herd, fischte ein schnurloses Telefon von der Spüle und wählte die Nummer der örtlichen Polizeiwache. Sein alter Arbeitsplatz.
Mit blutigem Feuerhaken, Telefon und Pistole in den Händen kehrte er in Cillas Schlafzimmer zurück. Sie saà kreideweià im Bett, hielt die Hände vor den Mund und starrte auf die Blutflecken überall.
»Die Polizei ist unterwegs«, sagte Paul mit viel zu fester Stimme. »Bist du verletzt?«
Cilla schüttelte den Kopf. Kein Wort kam über ihre Lippen. Paul spürte, dass Blut über sein Gesicht rann. Und wie seine Beine nachgaben. Er sank auf das Bett neben Cilla. Sie rutschte ein Stück zur Seite.
»Ich glaube, ich habe dein Handy erkannt«, sagte er.
Sie warf einen Blick zum Nachttisch. »Es ist weg«, schrie sie. »Mein Handy.«
Sie schwiegen eine Weile. Sie starrte auf seine blutige Stirn, ohne den geringsten Versuch zu machen, sie zu berühren.
Dann fragte er: »Hast du in der Bank noch mehr Bilder gemacht?«
»Ja«, sagte sie. »Eins.«
Das schnurlose Telefon klingelte. Er hob es vom FuÃboden auf und meldete sich mit matter Stimme: »Hallo.«
»Paul?«, sagte eine vertraute Stimme im Hörer. »Kerstin hier. Hör jetzt gut zu. Es könnte sein, dass Cilla in Gefahr ist.«
»Danke, ich weië, sagte Paul Hjelm.
»Du weiÃt? Wie meinst du das?«
»Ich bin nicht in der Lage, das jetzt zu erklären. Aber wir sind okay. Die Polizei ist unterwegs. Aber du kannst gern auch ein paar Leute herschicken. Es gibt einige Blutspuren.«
Er drückte auf die Austaste. Er sah Cilla an. Sie sah seine Stirn an.
»Spuren deines Handys«, sagte er und wagte es, sie zu berühren. Er legte den Arm um sie. Obwohl ihr Körper gespannt war wie eine Stahlfeder, drückte sie sich an seine Schulter. Wie von einer unendlichen Kraft zurückgehalten, bewegte ihre Hand sich langsam zu seiner Stirn. »Das muss genäht werden«, sagte sie.
»Dein Handy hat eine Menge bewirkt. Was war das für ein Bild, das du noch gemacht hast?«
»Es war, genau bevor du in die Bank kamst«, sagte Cilla. »Ich habe es abgeschickt. Die Räuber waren gerade festgenommen worden. Ich habe ein Bild von ihnen gemacht, als dieser Polizist sie gefasst hatte. Ich weià nicht, warum.«
Paul versuchte nachzudenken. Wie konnte das Bild so wichtig sein, dass jemand deswegen hinter Cilla her war? Auf jeden Fall war es jetzt verschwunden. Zusammen mit demHandy. SchlieÃlich reagierte er. »Du hast es also geschickt?
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