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Totenmond

Totenmond

Titel: Totenmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Koch
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dass er sie irgendwie kurzfristig dazwischenquetschen würde.
    Ein frischer Parfümduft ließ Alex aufschauen. Schon im nächsten Moment stieß sie mit einer Frau zusammen, die ebenfalls in sich versunken den Flur entlangmarschierte. Alex schaffte es gerade noch, den Kaffeebecher auszubalancieren, um den Inhalt nicht auf das Zopfmuster des beigefarbenen Rollkragenpullovers und den braunen Rock ihres Gegenübers zu verschütten.
    »Sorry, ich war wohl …«
    »… in Gedanken, ja, dito«, vervollständigte die Frau Alex’ Satz mit tiefer Stimme und sah sie lächelnd aus dunkelbraunen Knopfaugen an.
    Sie war etwas kleiner als Alex und perfekt geschminkt. Ihr Gesicht wirkte unter dem sportlichen Kurzhaarschnitt ein wenig mäuschenhaft, aber das täuschte sicher. Ihre Züge waren knallhart, und ihr Blick haftete an Alex wie eine Tackerklammer.
    »Veronika Martens, LKA«, sagte die Frau und streckte Alex die Hand hin. Ihr Griff war genauso fest wie ihre Stimme. »Sie müssen Alexandra von Stietencron sein. Ich habe von Ihnen gehört. Diese Purpurdrachen-Sache. Die Hexen-Geschichte …«
    »Ah, oh, ach so, ja …«, stammelte Alex und zuckte mit den Schultern, während die Gedanken mit ihr Karussell fuhren. LKA? Was hatte das nun zu bedeuten?
    »Ich bin gespannt auf Sie.« Erst jetzt ließ Martens Alex’ Hand los und erklärte: »Ich übernehme die Kommissionsleitung in der Mordsache Antje an Huef. Wir rollen auch den Bender-Fall wieder neu auf. Scheint ja Zusammenhänge zu geben. Solange die Direktion Kriminalität in Lemfeld offiziell nur kommissarisch besetzt ist, sollen wir bei euch reingrätschen. Auch deswegen, weil ihr nicht ausreichend personelle Kapazitäten habt.«
    Ja, dachte Alex, die Stelle der Dezernatsleitung war nach wie vor vakant und das Ausschreibungsverfahren noch nicht abgeschlossen. Es war ein offenes Geheimnis, dass Reineking sich beworben hatte. Aber keiner glaubte ernsthaft, dass er den Job erhalten würde. Alle rechneten mit einer externen Besetzung, und zwar mit einer Topkraft. Nur wer hatte das LKA auf den Plan gerufen? Der Staatsanwalt? Oder Möbius, der Behördenchef? Hatte der Landrat Druck gemacht? Oder war Veronika am Ende schon die neue Chefin, die sich einarbeiten sollte?
    »Ich war gerade auf dem Weg zu Ihnen, Alex – ich darf doch Alex sagen?«
    Alex nickte mit offenem Mund. »Zu mir?«
    »Die Nele-Bender-Akte. Ich habe gehört, die ist bei Ihnen?«
    »Ah, okay«, nickte Alex. »Ja, habe ich.«
    Veronika blickte Alex einen Augenblick schweigend an und musterte sie. Dann sagte sie wie aus der Pistole geschossen: »Es wird dem Kollegen Reineking sicher nicht gefallen, dass ich hier aufkreuze. Und vielleicht stinkt euch anderen das auch. Aber wir sitzen alle in einem Boot. Gehen wir zu Ihnen?« Damit griff sie Alex sanft am Arm und zog sie mit sich.
    »Okay?«, sagte Alex fragend. Sie hatte nicht einmal mehr die Zeit, sich von Veronikas bestimmender Art überrumpelt zu fühlen, und ließ sich regelrecht von ihr abführen.

17.
    S chöne Aussicht«, sagte Veronika Martens mit einem Blick in Alex’ Büro. »Und alles so ordentlich.«
    »Ich habe gerne den Überblick«, antwortete Alex, lehnte sich an den Schreibtisch und schob mit der Fingerspitze den Kugelschreiber auf der Schreibtischunterlage wieder gerade, bevor sie nach der Bender-Akte griff.
    Veronika schloss die Tür und setzte sich in den weichen Ledersessel. »Mhm«, machte sie, lehnte sich zurück und schlug die Beine übereinander. »So einen hätte ich auch gerne.«
    Alex zuckte mit den Schultern und mühte sich mit einem Lächeln ab. »Eine Liege hat der Etat nicht hergegeben, aber ein Sessel war das mindeste – schließlich bin ich hier die Psychologin.«
    Veronika lachte hellauf und verstummte ebenso schnell wieder. »Ich will Sie nicht weiter aufhalten, Alex. Ich dachte nur, wir sollten uns einmal kurz kennenlernen.«
    »Klar«, antwortete Alex und reichte Veronika die Akte.
    Die LKA-Beamtin nahm sie entgegen und drehte an einem Goldring herum, der auf dem kleinen Finger ihrer rechten Hand steckte. »Sie sind nach meiner Kenntnis im Rahmen eines Pilotprojekts mit Schwerpunkten wie Schulungen, Team-Entwicklung, Befragungen, psychosoziale Betreuung und dem Erstellen von Präventionskonzepten befasst. Nur am Rande zur Unterstützung bei Einsätzen, Vernehmungen und Fallanalyse. Aber in die Bender- und An-Huef-Sache sind Sie schon eingebunden, stimmt das?«
    Alex fragte sich, worauf die Frau hinauswollte, und

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