Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Totenrache und zehn weitere Erzählungen

Titel: Totenrache und zehn weitere Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Frank
Vom Netzwerk:
konnte bei der Erwähnung ihrer Taten seine Gleichgültigkeit bewahren. Vielleicht stimmte das wirklich, dachte Brendan, was der König behauptete: Das Grauen beherrschte den Lauf der Welt. Vielleicht war das Leben ein einziges Heulen und Zähneklappern, sobald ein Nichtgeborener die Friedfertigkeit des Mutterschosses hinter sich ließ.
    „Was sagst du?“, zischelte es aus dem fragilen Mund des Leichnams. „Nenn uns deine Bedingungen.“
    Bedingungen? Nicht doch, dachte Brendan, das stand nicht in seiner Macht. „Das Mädchen“, murmelte er. Sie war immer noch in seiner Nähe, verströmte immer noch Kälte, immer noch ihren Duft.
    „Sie gefällt dir, ja?“ Ein dünnes Lachen begleitete das. „Sie ist hinreißend, das empfinden wir alle so. Wenn sie dein Preis sein soll ...“
    „So schön is´ sie“, sagte Brendan, mutig jetzt, weil er die Totenschar durchschaute.
    „Gestaltwandeln liegt uns im toten Blut. Eine spielerische Sache im Bauch des Kinos. Hier ist die Luft schwer vor Illusionen, überall Helden und Verfechter einer guten Sache. Man gerät dort allzu leicht ins Schwärmen, möchte Fleisch betören, heißes Fleisch in Armen halten. Ich war nächtelang dort, während du deine ...“, leichtes Naserümpfen zerrte das folgende Wort in den Dreck, „... Arbeit tatest.“
    Brendan verschlug es die Sprache, aber er glaubte dem König vorbehaltlos.

    Brendans Tod war unspektakulär. Plötzlich wurde sein Kopf von hinten gepackt und herumgekurbelt. Ein bitterer Schmerz, der bis in die tiefsten Winkel des Rückgrats hinuntersackte, durchzog seinen Hals, hörbar rissen in ihm die sich zu einer Spirale aufdrehenden Muskelstränge, dann flappte heißes Blut aus den klaffenden Wunden. Die Welt drehte sich verschämt fort von ihrem verlorenen Sohn, der zu Boden stürzte. Eine Welle schaler Erinnerungen schoss in ihm hoch. Namen, die ihm nichts sagten, und Gesichter, die er vielleicht einmal geliebt hatte, waren darunter. Träume und Ängste gingen von ihm. Dieser Verlust war eine schmerzliche Angelegenheit. Seine Arme und Beine gaben blinde Zuckungen von sich, die nichts mehr besagten, außer dass der Tod über ihn gekommen war.

    Als er erwachte, wusste er, dass er lächelte, und dieses Lächeln wurde erwidert. Da war frisches Fleisch auf den Gesichtern, die auf ihn herunterstarrten, leuchtende Augen, makellose Zähne, strahlende Menschen: Sein Wiedererwachen hätte ihm nicht in schönerer Erinnerung bleiben können.
    „Oh“, stöhnte er. Seine Beine waren fühllos - nicht ganz die seinen, wie es schien -, als er aufstand, und in seinem Kopf flackerten Gedankensplitter auf, die ihm vielleicht einmal etwas bedeutet hätten. Zweifellos, das war der Tod. Er strotzte jetzt vor Stärke; jeglicher zu Lebzeiten in seinem Körper angesammelter Unrat - zuviel Zigaretten, zu wenig Bewegung, die Gier nach Sünden - war plötzlich fort. Er schaute auf seine Freunde; es bereitete ihm zu seiner größten Freude keine Probleme, seinen Kopf eine fast vollständige Drehung auf der gebrochenen Achse vollführen zu lassen.
    Nicht alle hatten die Wandlung hin zur verschwenderischen Schönheit bereits vollzogen. Der Zerfall bei einigen der Toten war zu hartnäckig. Krusten weißen Fleisches ballten sich unter ihrer ledrigen Haut zusammen und strafften und sättigten sie. Bis der Prozess zu Ende war, glichen sie menschlichen Skizzen, mit roh ins Fleisch gezeichneten Zügen und schlaffen Hautfalten.
    Der König, plötzlich im Kleid der Betörung, das den Betrachter verzauberte, gab das Signal zum Aufbruch, aber er überließ es Brendan, den Zug anzuführen.
    Ich bin ihr Kommandeur, dachte er, und wahrscheinlich hätte früher sein Herz schneller geschlagen, ich bin ihr Kommandeur, und sie gehorchen mir.
    Er genoss das Getippel ihrer Füße hinter ihm. Wie eine sich dem arglosen Feind nähernden Armee mit bösen Absichten klang das. Und, dachte er erneut, von welcher Armee, die in die Schlacht zog, hätte man jemals das geringste Anzeichen von Herzlichkeit erwarten dürfen?

Der unheimliche Schwimmer

    Gregory Norman kannte den Anblick des alten, geschlossenen Hallenbades seit Jahren. Es war ihm so vertraut wie das Gesicht eines Verwandten. Aber nun, da er die Stufen zum Eingang emporstieg, änderte sich die Perspektive, und es schien, als erwache er aus einem Traum. Er war als Käufer hier. Noch letzte Woche hatte er nie daran gedacht, ein Hallenbad zu kaufen, aber durch Zufall hatte er von dieser Angelegenheit und vom Spottpreis,

Weitere Kostenlose Bücher