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Totenreigen

Totenreigen

Titel: Totenreigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Lykk
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auf.
    Offensichtlich hatte der Anwalt Mutter Klockemann umgehend
informiert. Den hatte sie ja schon vor sechs Monaten eingeschaltet, als ihre
Nachbarin Ursula Drübbisch wissen wollte, ob das Töten von Hunden
Sachbeschädigung sei. Und der würde so schnell wie möglich auch Verena Klockemann
unterrichten. Wor auf die ihre Schwiegermutter unter Tränen anrufen würde. Und
dabei natürlich die Geschichte mit ihrem Jonas Neifer verschweigen würde.
    Es war, als ob da plötzlich etwas ins Rollen käme. Lüthje wusste nur
noch nicht, was.
    Gleichzeitig mit dem Haftbefehl hatte der Richter auch den
Durchsuchungsbeschluss für Klockemanns Wohnung unterschrieben. Es war ein
netter Bungalow auf einem großen Grundstück im idyllischen Schwentinetal. Da
niemand zu Hause war, hatten sie die Tür gewaltsam öffnen müssen. Die
Spurensicherung verteilte sich im Haus und schleppte alles, was nach
Aktenordner oder Computer aussah, in Umzugskisten in die Dienstwagen.
    »Ich glaube zwar nicht, dass wir ein stumpfes Haushaltsmesser mit
angetrocknetem Blut im Kücheneimer finden werden, aber mit einem Tagebuch des
Hausherrn wäre ich auch schon zufrieden«, sagte Lüthje zu Prebling.
    »Schön wäre auch ein Foto vom Tatort mit dem Täter. Vielleicht
finden wir ja eins auf dem Notebook«, antwortete Hoyer mit einem Augenzwinkern.
    Die Spurensicherung nahm überall im Haus Proben und Abstriche, vom
Boden bis zum Keller. Sie entleerten den Inhalt der Mülltonnen. Sie suchten den
Garten quadratzentimeterweise ab. Lüthje zog in der Küche alle Schubladen auf
und sah prüfend hin ein. Man konnte ja nie wissen. Wer wusste schon, wie es im
Kopf eines Mörders aussah. Aber die Besteckkästen sahen aus wie in der Küche
einer Hausfrau, die nicht gern kochte. Unbenutzt und ladenneu, teilweise noch
in Plastikhüllen. Ein Messerblock mit japanischen Schriftzeichen stand neben
der Mikrowelle.
    Haus und Grund wirkten wie geleckt. Die Rasenränder waren
wahrscheinlich gerade rasiert worden. Die Inneneinrichtung bestand aus Stahl
und Glas mit drei Ledersofas.
    Aber es gab etwas, was nicht ganz in dieses Muster passte. Im
Wohnzimmer und im Flur waren Kleinplastiken und Gemälde verteilt, die wie
Mitbringsel von Urlaubsreisen nach Afrika und Asien aussahen.
    Als Lüthje sie näher betrachtete, erkannte er, dass sie alle etwas
mit Bestattungszeremonien zu tun hatten. Tiere aller Arten und Größen wurden an
offenen Gräbern geschlachtet, menschliche Knochen wurden ausgegraben oder in
einem Gewässer gewaschen. Ein gebogenes Elfenbeinmesser mit eingeritzten
Wiedergaben von Kampf- und Bestattungsritualen. Feuerbestattungen wurden auf
mehreren asiatisch anmutenden Tuschezeichnungen besonders prächtig dargestellt.
    Lauter Dinge, die ein Bestattungsmeister aus Leidenschaft gern zu
Hause um sich hatte.

9.
    Die Tür der Gemeindebücherei war schon verschlossen. Er
hatte fast eine Stunde bis zur Kieler Stadtgrenze gebraucht, weil die Straßen
voller Kieler-Woche-Besucher waren.
    Er klopfte an ein Fenster. Frau Sternberg erschien und rief ihm
durch das Fenster zu, dass sie ihm öffnen würde.
    »Sie haben Glück. Wir machen eine Überstunde«, sagte sie, als sie
zum Tresen voranging.
    Lambert Sundermeier saß hinter dem Tresen an einem der beiden
Schreibtische vor einem Computermonitor. Seine Augäpfel bewegten sich im
Rhythmus der Scrollbewegung, die sein Zeigefinger mit der Computermaus
ausführte.
    »Guten Tag«, sagte Lüthje.
    Sundermeier sah ihn an, erwiderte seinen Gruß und setzte seine
Arbeit fort.
    »Ich wollte nur das Buch zurückgeben«, sagte Lüthje zu Frau
Sternberg. »Ich vergesse so was immer.«
    »Sie dürfen es noch achtzehn Tage behalten«, sagte sie mit einem
leisen Vorwurf in der Stimme.
    »Bis dahin habe ich es völlig vergessen. Meine Frau regelt diese
Sachen für mich. Aber sie besucht eine Freundin und ist erst in ein paar Tagen
wieder da.«
    »Sie haben zu viel im Kopf, Herr Kommissar!«, sagte sie und entnahm
dem Buch die Ausleihkarte.
    »Das ist Stapelverarbeitung«, sagte Lambert Sundermeier. Er hatte
seine Arbeit unterbrochen.
    »Hört sich gut an. Aber was meinen Sie damit?«, fragte Lüthje.
    »Das menschliche Gehirn und der Computer haben viele Gemeinsamkeiten.
Wenn Sie einem Computer mehr Aufgaben geben, als er auf einmal bewältigen kann,
speichert er sie in der Reihenfolge der Auftragserteilung und arbeitet den
aufgehäuften Stapel ab. Das ist die Stapelverarbeitung.«
    »Mein Computer stürzt dann gern ab«, sagte

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