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Totenruhe

Totenruhe

Titel: Totenruhe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Jörg Hennecke
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wie der Kriegsgewinnler Cordes werden immer gebraucht, auch von den Alliierten. Scham, da bleibt nichts als Scham. Ein gütiger Gott sollte Cordes mit seinem Reichtum im Boden versinken lassen.«
    Robert Humdorf schaute erwartungsvoll auf den Pastor. »Na, was sagen Sie?«
    »Ewig währt am längsten.«
    »Ach ja, wer hätte das gedacht. Aber ernsthaft.«
    »Ich bin ganz ernsthaft«. Sauerbier sog den halben Krug ein und verschluckte sich. »Preul war auch Nazi, bei der Diktion, oder?«
    Humdorf nickte. »Ist anzunehmen. Wer am 10. April 1945 noch an den Führer und seine Wunderwaffen glaubte … Und überhaupt, der Preul war doch noch ein Jugendlicher. Aber schreibt so ein Jugendlicher? Vielleicht hat er den Text erst viel später zu Papier gebracht.«
    »Möglich. Preul schiebt dem Cordes jedenfalls die SS-Runen unter. Ich habe eigentlich für glaubwürdig gehalten, dass die Elitetruppe den Einbeinigen nicht wollte.«
    Humdorf nickte. »Bemerkenswert auch die verächtliche Titulierung ›Kriegsgewinnler‹. Vermutlich wusste Preul mehr. Aber die entscheidende Frage lautet: Lässt sich aus dem Text ablesen, dass Cordes seinen persönlichen Schatz auf dem Friedhof deponiert hat?«
    Der Pastor überlegte. »Eindeutig ist das nicht, aber naheliegend. Sagen wir mal so: Preul erweckt den Eindruck. Das ist wie mit den Wunderwaffen. Nichts Genaues weiß man nicht …«
    Humdorf widersprach. »Aus damaliger Sicht gab es gegen Kriegsende durchaus deutsche Wunderwaffen. Denken Sie an die Rakete V 2 oder den ersten Düsenjäger, die Me 242. Die letzte Wunderwaffe hatten dann aber die Amis.«
    »Ja. Hätten unsere Altvorderen noch ein wenig länger gekämpft, wäre sie auf Deutschland gefallen und wir hätten unser Problem nicht. Also meinen Sie, Preul war Augenzeuge, als Cordes seinen Schatz vergrub?«
    »Mich macht ein Zettel stutzig, der offensichtlich von Preul stammt und an den Text geheftet ist. Da steht: 1946 nichts, 1947 nichts, 1948 nichts, 1949 nichts, 1950 Cordes ist verblödet. Was weiß der junge Cordes? Danach hören die Eintragungen auf.«
    Humdorf schob dem Pastor die handschriftliche Notiz zu. »Wollen Sie meine ganz wilde Theorie hören, lieber Pastor? Ein Teil des Schatzes könnte ideeller Art gewesen sein. Vielleicht ein Tagebuch des Cordes mit entlarvenden Fakten über die Lindener Elite jener Jahre? In den Jahren 1946 bis 1949 hat Cordes seine Vergrabung unberührt gelassen, wohl aus Angst vor der Militärregierung, die den Besitz ganz sicher beschlagnahmt hätte und an einem hochkarätigen Tagebuch außerordentlich interessiert war. Kriegsentschädigung oder so etwas. 1950 wurde der alte Cordes dement und interessierte sich nicht mehr für seinen Schatz. Vielleicht konnte er ihn auch nicht wiederfinden. Cordes Sohn starb in den Siebzigern bei einem Verkehrsunfall. Das Unternehmen wird seither vom Enkel geleitet. Preuls Frage also: Was weiß der Enkel?«
    Der Pastor grinste. »Ich liebe wilde Theorien. Da ist aber ein Haken. Wenn Preul das Versteck kannte, warum hat er dann nicht selbst zu eigenem Nutzen gegraben? Der Mann war doch nicht auf Rosen gebettet.«
    »Das könnte man erklären. Preul suchte Anerkennung, vielleicht auch Ruhm, vor allem literarischen Erfolg. An materiellen Dingen war er wohl weniger bis gar nicht interessiert.« Der Pastor schüttelte den Kopf.
    »Das überzeugt mich nicht. Da bleibt immer noch das Tagebuch oder andere Aufzeichnungen, wenn es das gab. Und beim Geld wird jeder schwach. Selbst Mutter Teresa suchte das Geld, um es an die Armen weiterzureichen. Die Geschichte stinkt zum Himmel. Ich vermute eher, die Schatzgeschichte ist ein Abenteuerroman, so wie der ›Schatz im Silbersee‹. Trotzdem: Ich werde Ewald Cordes examinieren. Der soll vor Gott erklären, wo sich die Wahrheit von der Lüge scheidet.«
    Humdorf stimmte voller Überzeugung zu.
    »Ich beuge mich. Eine höhere Instanz steht auch mir nicht zur Verfügung.«
     

14.
     
    Bestattungsunternehmer Himmelfahrt hatte seinen Auftrag, wenn auch nur einen schmalen, weil er vom knauserigen Sozialamt kam. Eigentlich hieß der Mann im ewigen schwarzen Anzug Justus Krause, aber er ließ sich gern mit dem Namen seines Unternehmens anreden. Das war kostenlose Werbung, davon war er fest überzeugt. Er würde auch diesen armen Obdachlosen unter die Erde bringen, erfroren im harten Winter ausgerechnet auf dem Bergfriedhof. Seinen Namen hatte das Sozialamt erst gestern telefonisch nachgereicht. Karl Preul. Himmelfahrt-Krause kam

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