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Totenruhe

Totenruhe

Titel: Totenruhe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Jörg Hennecke
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nieder, schwarz-rot-goldene Schleife. Der Pfarrer übernimmt den Platz vor der Gemeinde und betet mit lauter Stimme das Vaterunser.
    Anschließend Fanfarenzug des örtlichen Schützenvereins und die Versammlung löst sich auf, um sich in einer Kneipe neu zu formieren. Das ist die ganze Geschichte. Es gibt einen gravierenden Punkt, der nicht stimmen kann.»
    Der Pastor lehnte mich zurück, sog genießerisch an der Pils-Blume und harrte seines sicheren Sieges. Mit dieser Geschichte hatte er schon manches Bier geschnorrt. Von zehn Zuhörern kam im Schnitt einer auf die Lösung. Lindemanns klarer Verstand war für ihn natürlich ein Risiko.
    Der legte die Stirn in Falten und dachte angestrengt.
    «Hm, hm, hm. Was aus meiner Sicht erst mal überhaupt nicht stimmt: Diese Helden sind keinesfalls fürs Vaterland gefallen.»
    «Einverstanden. Aber in meiner Geschichte geht es nicht um Fragen politischer Bewertung. Ich habe nur den Bürgermeister zitiert und die Inschrift eines Steines.«
    Lindemann nickte, stellte Rückfragen nach Details der Geschichte, verhedderte sich in Kleinigkeiten. Nach fünf Minuten hatte er keine Lust mehr und bestellte als Zeichen der Aufgabe zwei Pils.
    «Wo liegt der Hase im Pfeffer? Ich komme einfach nicht drauf.»
    «Denken Sie an das Datum. Oder allein an die Jahreszahl: 1926!»
    «Na und? 1926 oder 2011 – was ändert das?»
    «Eine ganze Menge. 1926 konnte noch niemand vom Ersten Weltkrieg sprechen, wenn er 1914 bis 1918 meinte. Der Zweite hatte schließlich noch nicht stattgefunden. Wie sagte also Ihr Großvater, wenn er das heldische Ereignis meinte? Weltkrieg, ganz einfach Weltkrieg. Stimmt’s?»
    «Ja, großer Pastor. Sie haben gewonnen.»
    «Nein, noch nicht. Auch in unserer Geschichte muss irgendwas offensichtlich falsch sein. Aber ich bin genauso betriebsblind wie Sie und merke es nicht.»
    Lindemann wurde versöhnlich. »Ich verstehe nicht einmal die Relativitätstheorie, wie soll ich also das verstehen?«
    »Sie müssen unbedingt Humdorf kennen lernen. Der Typ wird Ihnen gefallen.« »Aha, ein gestandener Alkoholiker also.«
     

16.
     
    Kriminal-Hauptkommissar Peter Stoll war außer sich. »Wie kommt das Sozialamt dazu, den erfrorenen unbekannten Toten vom Bergfriedhof als Karl Preul zu identifizieren, ohne sich mit uns kurzzuschließen?« Er schrie die Beschuldigung in den Telefonhörer, als er endlich mit dem Leiter der städtischen Behörde verbunden war.
    »Wir identifizieren keine Toten«, konterte der. »Wir haben nur für die Bestattung von Menschen zu sorgen, die keine Angehörigen haben und zudem mittellos sind.« »Und wieso heißt der Mittellose bei Ihnen Karl Preul?« »Wenn wir die gleiche Leiche meinen, dann steht in meiner Akte ›Unbekannt‹. Einen Vorgang Karl Preul habe ich nicht.«
    Stoll trommelte mit den Fingern auf dem Schreibtisch. »Aber in der Zeitung steht …«
    Der Sozialamtler zeigte sich unbeeindruckt. »Ich beziehe weder Arbeitsanweisungen noch Bezeichnungen aus der Presse. Wo liegt denn nun eigentlich Ihr Problem?«
    »Der Bestatter Himmeltür, nein Himmelfahrt, hat dem Lindenkurier den Namen Preul genannt. Und zwar für den Toten vom Bergfriedhof.«
    »Ja, mein lieber Herr Stoll, dann bin ich für Sie wohl die falsche Adresse. Sie sollten sich direkt an das Bestattungsinstitut wenden. Guten Tag.«
    Stoll behielt den Hörer in der Hand, als könne es sich der Sozialamtsleiter noch anders überlegen. Doch dann sprang sein Zorn auf Himmelfahrt über. Wäre nicht verkehrt, dem Institut einen Besuch abzustatten, um aufzuklären, welche merkwürdigen Kanäle in Linden befahren wurden.
    Das Bestattungsinstitut hatte ein unscheinbares Schaufenster an der Limmerstraße, nur eine Urne und ein silberner Palmwedel deuteten auf das Gewerbe des Inhabers. Entschlossen betrat Peter Stoll den Laden und steuerte schnurstracks auf Justus Krause zu, der im schwarzen Anzug Würde mit Gänsehaut ausstrahlte. »Sind Sie Himmelfahrt?« Stoll polterte und kam Krause beängstigend nahe.
    »Ja, aber …«
    »Nichts aber. Wie kommen Sie dazu, einem unbekannten Toten den Namen Karl Preul zu verpassen? Raus mit der Sprache!«
    Krause-Himmelfahrt brauchte einen Moment, um seine Fassung wiederzugewinnen. »Wer sind Sie überhaupt? Was wollen Sie?«
    Peter Stoll schnaufte hörbar. »Richtig, vergessen. Hier.« Er zog seinen Ausweis aus der Tasche und hielt ihn Krause direkt vor das Gesicht. »Kripo Linden, Stoll. So – und jetzt sind Sie dran. Also?«
    »Mein Herr, ich habe Sie

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