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Totenruhe

Totenruhe

Titel: Totenruhe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Jörg Hennecke
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der ungewöhnliche Name bekannt vor, vielleicht hatte er vor Jahren einem Verwandten des Verblichenen das letzte Geleit organisiert. Nein, diesen Gedanken verwarf er. Die Erinnerung war frischer, sie gehörte zur Gegenwart, die es einem bodenständigen Bestatter unsäglich schwer machte. Billig-Beisetzungen im Ausland waren dabei noch nicht einmal das Schlimmste, denn die gehörten einschließlich An- und Abreise sowie Trauerfeier auch zu seinem Programm. Notgedrungen, man musste sich eben nach der Decke strecken.
    Karl Preul, na klar, da war eine Geschichte im Lindenkurier . Karl Preul, der geheimnisvolle Zeuge des Schatzgräbers Eduard Cordes. Das Sozialamt ließ ihn zum Billigtarif einen Prominenten begraben? Himmelfahrt war empört. Das würde er der Zeitung melden. Vielleicht ließ sich aus dieser Leiche doch noch etwas mehr herausschütteln.
    Man muss das Eisen schmieden, solange es heiß ist. Also rief er sofort an, wurde verbunden, trug sein Wissen vor, wurde wieder verbunden und als langsam Ärger in ihm hochstieg, hatte er zu seiner Überraschung den Chefredakteur persönlich an der Strippe.
    »Hier spricht Gerold Wimmer. Sie haben wirklich Karl Preul? Hoffentlich ist er gut im Kühlschrank verwahrt bei den sommerlichen Temperaturen, ha-ha-ha.«
    Himmelfahrt erkannte nicht, wo da der Witz war. Sein Gewerbe eignete sich nicht für Ulk. »Das Sozialamt hat mir den Auftrag gegeben. Erst war er ein anonymer Obdachloser und nun heißt er Karl Preul. Die wollen sich um eine angemessene Bezahlung drücken. Darüber sollten Sie mal berichten.« Wimmer zeigte sich außerordentlich interessiert. »Ich schicke Ihnen sofort einen Reporter vorbei. Seien Sie nett zu ihm und seiner Kamera. Guten Tag und schönen Dank für Ihren Anruf.«
    Kamera? Man würde Himmelfahrt also fotografieren, sein Institut käme in die Zeitung, ohne dass er eine teure Anzeige bezahlen müsste. Und das Sozialamt … Nun ja, das Sozialamt. Den nächsten Toten ihres Sparbereichs würden sie wohl der Konkurrenz zuschieben. Man kann eben nicht alles gleichzeitig haben und es war schließlich das Sozialamt, das erst spät die wahre Identität des Toten nachgereicht hatte. Dessen Aufträge machten ihn sowieso nicht reich.
     

15.
     
    Am Freitag erschien der Lindenkurier mit der Schlagzeile »Geheimnis um den Friedhofstoten gelüftet«. Dazu ein Foto mit dem Bestatter Himmelfahrt, der auf eine Leiche in einem Schließfach zeigte. Das Gesicht des Toten war wächsern und sah aus wie eine Maske.
    Wie elektrisiert las Lindemann den Namen des Toten. Karl Preul? Konnte das möglich sein? Natürlich, warum denn nicht, dachte er. Langsam entwirrt sich das Knäuel, die helle Sonne bringt alles an den Tag. Das Sozialamt hatte also die dramatische Enthüllung bekannt gegeben. Was Sauerbier ansonsten im Text las, wusste er bereits. Es waren die präzisierten Vorwürfe des Karl Preul gegen Eduard Cordes.
    Pastor Sauerbier wurde von Ewald Cordes empfangen, wie man es in dessen Kreisen für angemessen hielt. Die Vorhalle der Villa war geräumiger als eine Lindener Durchschnittswohnung. Erlesenes Interieur demonstrierte unaufdringlich ererbten Reichtum. Zusammen wirkte das Ensemble auf den Besucher wie die majestätische Größe gotischer Kirchen, die ihren architektonischen Zweck erfüllten, Gläubige klein zu machen vor der erhabenen Allmacht Gottes. Gemeint war damit natürlich die Macht des Fürsten, der sich als natürliches Werkzeug Gottes verstand. Sauerbier hatte längst keine Illusionen mehr um die Machtdemonstration der Kirchen und ihrer eigentlichen Ziele. Aber entziehen konnte er sich weder der Erhabenheit gotischer Dome noch der Präsentation der Cordes-Villa. Und so genoss er widerstandslos die distinguierte Art, mit der man ihn behandelte. Entschuldigend hatte er mehrfach klar gemacht, dass er im seelsorgerischen Dienst der Polizei tätig war. Trotzdem bedauerte Cordes, in der Sache nicht weiterhelfen zu können. Ja, ab 1950 war sein Großvater ziemlich dement. Aber von einem Schatz hatte auch sein Vater weder vorher noch danach gesprochen. Sein Großvater – ein Kriegsgewinnler? Beträchtliche Teile der Fabrik waren durch Luftangriffe zerbombt worden, doch davon spreche niemand. Und ein sehr wertvolles Gemälde von Franz Marc sei damals auch verloren gegangen, niemand wisse, wie das passierte. Kriegsgewinnler – ein Neidausdruck, darüber solle man doch erhaben sein. Ja, er erinnere sich an Erzählungen, dass Familienschmuck nach 1945 durchaus

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